Manfred Biedert, Fahrenbach
Wenn man sich mit der Entwicklung des Postverkehrs im Odenwald beschäftigt, so stellt man schnell fest, dass es dort eine Geschichte aus der Frühzeit der Post gar nicht gibt. Der Odenwald war einfach zu unwegsam und das Verkehrsbedürfnis aufgrund geringer Besiedelung zu gering, als dass sich frühe Posteinrichtungen und Postkurse hätten entwickeln können. Die Verbindung zu den in der Nähe vorbeiziehenden Postlinien stellten Gelegenheitsboten, später regelmäßig laufende Boten her. Deshalb ist es angebracht, für Scheringen zuerst das Botenwesen zu betrachten, bevor man später zu den eigentlichen Posteinrichtungen kommt.
Botengänge und Amtsboten
Sicher war in der Frühzeit das Bedürfnis der Einwohner, Briefe zu versenden und zu empfangen, nicht sehr ausgeprägt. Man bewegte sich meist kaum über die Ortsgrenzen hinaus; die Großfamilie blieb in der Regel nah beieinander; was man sich mitzuteilen hatte, wurde von Person zu Person ausgetauscht. Der gemeine Bürger war im Schreiben ohnehin nicht geübt. Selbst den eigenen Namen konnten viele nicht schreiben, wie zahlreiche mit den berühmten „drei Kreuzen“ als Handzeichen vollzogene Quittungen in den frühen Gemeindeakten beweisen.
Anders war es bei Aufgaben für das Gemeinwohl, bei amtlichen Tätigkeiten. Die Bürgermeister und Gemeinderäte hatten mit dem „Amt“ zu tun — mit der zuständigen Amtsvogtei, mit dem Oberamt, mit den Großherzoglichen bzw. Fürstlich Leiningischen Bezirksamt, mit der Verwaltung der Grundherrschaft, mit der Forstbehörde, mit dem Gericht und dem Hofgericht. Es gab Verwaltungsangelegenheiten, „GemeindsSachen“; es gab Streitfälle um Abgaben und Grundrechte, die Ämter, Notare und Gerichte beschäftigten; es gab geforderte Fronleistungen, die zu erbringen und abzurechnen waren; man hatte Zehnt, Gefälle und Accis abzuführen. Dies alles erforderte Schriftverkehr, Aktenaustausch und Geldtransport.
Die erhaltenen Akten des gemeindlichen Archivs zeigen auf, dass sich Bürgermeister, Gemeinderäte oder beauftragte Bürger in solchen Fällen meist persönlich zu dem jeweils zuständigen Amt begaben, zu Fuß oder zu Pferd, um die jeweilige Sache zu erledigen. Sie wurden dafür je nach Dauer der Inanspruchnahme nach feststehenden Sätzen aus der „GemeintsCaße“ entschädigt. Beispielsweise rechnete im Jahre 1796 der Schultheiß 15 Gänge zur Vogtei in Mudau zu je 22 Kreuzer und zwei Gänge zum Oberamt nach Amorbach zu einem bzw. zwei Gulden ab.
Hatten die Gemeinden nur hin und wieder Anlass, mit den vorgesetzten Ämtern in Verbindung zu treten — nach dem Motto: „Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen — so bestand umgekehrt seitens der wirst!“ vorgesetzten Vogteien, Oberämter und Gerichte ein Bedürfnis nach einer verlässlichen, häufigen und möglichst regelmäßigen Nachrichten- und Transportverbindung zu den zugeordneten Gemeindeverwaltungen; denn sie hatten Verfügungen, Anweisungen und Befehle an die Ortsvorstände, Gemeinderäte oder einzelne Bürger zu verbringen, Fronleistungen, Bede, Steuern, Zölle, Akzise und andere Abgaben zu fordern und abzurechnen, die Zehnt- und Gemeinderechnungen, Wald- und Feldfrevelregister zu prüfen, gerichtliche Zustellungen vorzunehmen und mit zunehmender Regelung der staatlichen Verwaltung in immer größerem Umfang Schriftverkehr und Akten auszutauschen.
Zur Bewältigung der damit verbundenen zahlreichen Botengänge verpflichteten die Ämter festangestellte Amts- und Gerichtsboten, die im ganzen Bereich des Amtes oder einem festgelegten Teil alle anfallenden Botengänge im Auftrag des Amtes durchführten. Anfangs hatten die Gemeinden für jeden Gang einen festgesetzten Botenlohn an den Amtsboten zu entrichten; im Laufe der Zeit gingen die Ämter dazu über, die Amtsboten zwei- bis dreimal wöchentlich einen festgelegten Rundgang durchführen zu lassen und mit einer festen Besoldung anzustellen, die nach der „Seelenzahl“ auf die zugeordneten Gemeinden aufgeschlüsselt wurde.
Für Scheringen ist schon im Jahre 1785 ein solcher festangestellter Amtsbote, der „Mudauer AmtsVogteiDiener Valentin Karl Mohr“, nachweisbar. Dieser war bei der Vogtei Mudau als Amtsdiener mit einem Jahresgehalt von 31 Gulden 44 Kreuzer (31 fl 44 x) angestellt, wovon „Die Gemeint Scheringen zahlt ihren Beitrag… nach dem Alten Schätzungsfuße mit Ein Gulten fünfzig zwei Kreutzer“. Zu diesem Gehalt erhielt der Amtsdiener eine Livree, also eine Uniform gestellt, deren Kosten ebenfalls auf die Gemeindekassen aufgeteilt wurde. 1814 hatte die Gemeinde Scheringen für die Livree des Amtsdieners einen Anteil von 1 fl 45 x zu tragen, im Jahre 1815 belief sich der Anteil auf 2 fl 44 x. Der Amtsbote führte eine Botentasche aus Leder mit sich, in der die Schriftstücke, Akten und Gelder transportiert wurden. „Die Gemeinde Scheringen zahlt an der neu angeschafften Bothentasche den auf ihren Betrag fallenden Antheil 24 Kr“ im Jahre 1834 an die Amtssportelverrechnung Buchen.
Bis zum Jahre 1814 wurde der Amtsbotendienst vom Vogtei- bzw. Amtsdiener Valentin Karl Mohr wahrgenommen. Von 1813 an bis zum Jahre 1817 ist der Amtsdiener bzw. Amtsbote Stadler aus Buchen nachweisbar. Ein Beschluss des Großherzoglichen Bezirksamts Buchen vom 16. Juni 1819 sagt über den Amtsbotendienst: „No 2713 / Wurde der gefertigte Anschlag über den noch rückständigen Bothenlohn des Amtsbothen Kaspar Henk von Mudau vom 1ten April 1818 bis dahin 1819 vorgelegt und Beschloßen folgendes an die betrefende Ortsvorstände zu erlassen. Das G. Finanz Ministerium hat unterm 16ten Merz 1. J. No 4271 verfügt, daß die Belohnung des Amtsbothen Henk in Mudau für Rechnung der betrefenden Gemeinde so lange fortdauern solle, bis über das Bothenwesen ein allgemeines Reglement erscheine, und das Grhl. Kreisdirektorium hat hierauf unterm 14ten v. Monats No 5587 die weitere Verfügung erlaßen den rückständigen Lohn, welchen der Bothe Henk zu fordern hat, auf die betreffenden Gemeinden anzuschlagen und damit denselben zu befriedigen. Diesem zu folgen hat man den Anschlag hierüber gefertiget und wird jedem Ortsvorstande der seine Gemeinde treffende Beitrag mit der Weisung andurch bekanntgemacht, solchen binnen 8 Tagen unfehlbar gegen Quittung hierher abzuliefern. Bey dieser Gelegenheit werden diejenigen Gemeinden, welche noch mit ihrem Beitrage vom 1ten April 1817 bis dahin 1818 in Rückstand sind, in so fenre sie sich mit keiner Quittung über geleistete Zahlung ausweisen können, an dessen Abführung im vorgedachten Termin ebenfalls erinnert.“ Scheringen hatte für das Jahr 6 fl 16 x zu zahlen. Amtsbote Kaspar Henk blieb bis zum 31. März 1821 für Scheringen zuständig, ehe eine Neuregelung des Amtsbotenwesens in Kraft trat.
Vom 1. April 1821 an wurde der Amtsbotendienst für Scheringen vom Bezirksamt in Buchen aus wahrgenommen. Dort waren mehrere Boten fest angestellt, die — offensichtlich im umlaufenden Wechsel — bestimmte festgelegte Routen zu den Amtsorten zu laufen hatten. Das Gehalt der Amtsboten wurde, wie bisher, auf die Amtsgemeinden aufgeschlüsselt und in Quartalsraten an die Boten gezahlt. Von 1821 bis 1869 wurde Scheringen im Wechsel von den Amtsboten Perino, Hemberger, Stumpf und Christ gegen eine Quartalsvergütung von 1 fl 36 x, von 1844 an gegen eine Jahresvergütung von 7 fl 27 x angelaufen. Am 1. August 1869 hörte, wie wir noch sehen werden, der Amtsbotendienst für Scheringen auf.
Die Amtsboten vermittelten lediglich den Schrift- und Aktenverkehr zwischen den Ortsbehörden und den Behörden in der Amtsstadt. Daneben führten auch weiterhin der Bürgermeister, Gemeinderäte oder andere Personen im Auftrag des Gemeinderats Gänge in Gemeindeangelegenheiten aus; z. B. rechneten im Jahre 1851 Bürgermeister Gramlich und die Gemeinderäte Franz Josef Gramlich, Michel Noe und Franz Josef Noe zwölf solcher Gänge nach Buchen, Waldhausen und Mudau ab.
Mitteilungen und Bekanntmachungen an die Nachbargemeinden wurden meist mit sogenannten „Circularen“ vorgenommen. Ein „Circular“ war ein Brief, in dem z. B. die Versteigerung der Schafweide-Verpachtung oder eine Ausschreibung von Gemeindearbeiten bekanntgegeben wurde; ein solcher Briefwar mit der Anschrift aller Stellen versehen, denen der Inhalt bekanntzugeben war, und wurde von einem Boten der Gemeinde rundum von Ort zu Ort getragen.
Ein CircularBrief aus dem Jahre 1827 trägt die Aufschrift:
„An Gr.0rtsvorstände Waldhausen, Großeicholzheim, Kl.Eicholzheim, Oberscheffenz, Rieneck, Limbach, retour Schwingen“, ein solcher aus dem Jahre 1843: „Den Bürgermeisterämtem zu Waldhausen, Heidersbach, Limbach, Laudenberg u. Einbach, retour Scheringen“.
Zusätzlich kamen immer wieder „expresse“ Boten, also Boten, die mit einem speziellen Auftrag nach Scheringen geschickt wurden und dafür mit einem dem Aufwand entsprechenden Botenlohn aus der Gemeindekasse abgegolten wurden; z. B. „dem Amtsdiener Josef Gulden von Mudau für Einholung der Herbstgelder welche die Gem Scheringen jährlich zahlen muß 20 x“ ( 1820), „dem Amtsdiener Franz Bauer von Buchen 6 x“ (1820) oder „dem Gerichtsdiener Blaut zu Mudau wegen einem Schreiben herumzutragen wegen Kriegsfordermg betr. zahlt 10 Kr.“ (1827).
Die ersten Postboten
Der Odenwald wurde, weil er unwegsam war und als besonders unsicher galt, von den frühen Postcoursen gemieden. Über den uralten Handelsweg Sachsenstraße — Magdeburg — Würzburg – Distelhausen — Königshofen Boxberg — Adelsheim — Mosbach — Neckarelz — Sinsheim bzw. — Aglasterhausen — Wimmersbach/Wiesenbach — Wiesloch — Heidelberg lief dann auch die älteste Postverbindung südlich am Odenwald vorbei. Die Scheringen naheliegenden Poststationen waren die Kaiserliche Reichspostanstalt Neckarelz (mindestens seit 1703), die Postexpedition Oberschefflenz (mindestens seit 1806) und später (vermutet seit etwa 1820) die Postexpedition Mosbach. Von all diesen Stationen aus ist eine Postbotenzustellung in den Odenwald nicht nachweisbar und kann auch nicht angenommen werden. Wenn ein Einwohner Scheringens, falls er zu jener Frühzeit des Schreibens kundig war und das Geld für das Postporto aufbringen konnte, einen Brief zur Post bringen wollte, musste er sich selbst zu einem der genannten Postorte begeben oder jemanden dorthin schicken.
In den Jahren 1803 bis 1811 wurde von der alten Würzburger Straße bei Oberschefflenz abzweigend über Waldhausen — Buchen — Walldürn — Hardheim nach Tauberbischofsheim eine Straße gebaut, die auch für den Postverkehr benutzbar war. Es ist anzunehmen, dass mit der Aufnahme des Postverkehrs auf dieser neuen Straße -1812 verkehrt einmal wöchentlich eine „Postdiligence“ – in Buchen eine Posthalterei eingerichtet wurde. Dass diese Posthalterei in Buchen auch für den Postverkehr von und nach Scheringen benutzt wurde, ist für das Jahr 1821 erstmals zu belegen.
Eine handschriftliche Gebührenquittung zu einem Brief aus Scheringen lautet: „Ein Brief nach Wertheim An Hochw. Kreisdirektorium kost 16 Kreizer, Buchen ten 1 Merz 1821, Posthaltery Herth“. Der Unterzeichner Herth war Posthalter in Buchen; den Brief hatte wohl der obenerwähnte Amtsbote von Scheringen zur Post nach Buchen mitgenommen und sich die Quittung geben lassen, um beim nächsten Botengang gegenüber dem Absender die Portoauslage belegen zu können.
Vom 12. Juni desselben Jahres 1821 stammt ein Brief vom Großherzoglichen Forstamt Mosbach mit dem roten Rayonstempel „MOSBACH.R.2.C“ an den Ortsvorstand Scheringen; dem Ortsnamen Scheringen ist nachträglich der Leitvermerk „über Buchen“ hinzugefügt worden. Da für diesen Brief keine Zustellgebühr verrechnet worden ist, ist er nicht von einem Landpostboten, den es wohl zu dieser Zeit in Buchen noch nicht gab, nach Scheringen zugestellt worden; wir können deshalb davon ausgehen, dass auch in Buchen — wie es andernorts belegt werden kann — der Amtsbote neben der Amtspost auch die für die Amtsorte bei der Posthalterei eingegangenen Briefschaften mit aufs Land beförderte und zustellte und umgekehrt Briefe und Fahrpostsendungen mit zur Posthalterei nahm und dort auflieferte.
Dass die Posthalterei Buchen bei Bedarf auch für den Personenverkehr nach Scheringen sorgte, zeigt eine Quittung aus dem Jahre 1823: „BezirksAmtmann Hr.Weber fahrt mit zwey Pferd und Chaise von hiesiger Posthalterey unterm 7ten Juli d.J. nach Scheringen, und zalt anher die Fahrtgebühr mit fünf Gulden dreysig Kreuzer über welche richtigen Empfang quittirt, Buchen den 13ten Juli 1823, Großh.Posthalterey Schneider“ und eine solche aus dem Jahre 1841: „Für die dem Gr.Bezirks-Amt am 19.v.M. Nachmittags nach Scheringen geleistete Chaisenfuhre hat der Unterzeichnete den accordirten Fuhrlohn einschließlich der Cutscherzehrung Pferdfütterung und des Stalltrinkgeld mit… 3fl 12 xr zu fordern und bittet um deren Dekretur, Buchen den 1ten Februar 1841 Herth„.
Solche gelegentliche Verbindungen oder gefälligkeitshalber mitgenommene Sendungen waren aber mit einem geregelten Postverkehr noch nicht vergleichbar. Löffler sagt in seiner „Geschichte des Verkehrs in Baden“ über die Postversorgung der ländlichen Orte in jener Zeit folgendes: „Die Bestellung der nach den Landorten bestimmten Briefschaften geschah bis zum Jahre 1859 größtenteils durch die in jedem Amtsbezirke eingestellten Amts- oder Gemeindeboten, an den Orten mit ,kontraktmäßigen“ Postanstalten durch die Postboten. … Die Bestellgänge der Amtsboten erfolgten in der Regel zwei-, in wenigen Amtsbezirken dreimal, diejenigen der Postboten, soweit überhaupt solche vorhanden waren, nur m wenigen Orten mehr als einmal wöchentlich. Für die von den Landbewohnern zu versendenden Briefschaften war keinerlei besondere Fürsorge getroffen; an manchen Orten, wo besondere Gänge sich für die Boten nicht lohnten, war dieser sozusagen dem Schicksal überlassen; die Briefschaften konnten nur dann aufgeliefert oder in der Amtsstadt bestellt werden, wenn zufällig ein Einwohner in dem Postorte zu tun hatte und aus Gefälligkeit die Briefe besorgen wollte. Fahrpoststücke vollends durften den Amts- wie den Postboten nur bis zum Werte von fünfzehn Gulden übergeben werden; bei höherem Werte hatte sie derAbsender selbst zur Post (zu) bringen und der Empfänger daselbst ab(zu)holen … es war gang und gäbe, daß die Briefe nach Landorten bei der Postexpedition des Bestellpostortes drei bis vier Tage liegen blieben.“ In der 41. öffentlichen Sitzung der zweiten Kammer am 16. März 1858 sagte der Abgeordnete Kirsner: „Es konnte bisher der Fall sein, daß ein Brief für die ersten 100 Stunden, die er zurückzulegen hatte, kaum die Hälfte der Zeit brauchte als für die letzte Stunde, weil die Boten in der Regel nur zweimal wöchentlich die Briefe von den Poststationen auf die Landorte trugen“; mit „Stunden“ sind hier die badischen Wegstunden als Entfernungsangabe gemeint. Diese zeitgenössischen Schilderungen mögen uns einen Eindruck geben von den mangelhaften Postverhältnissen jener Zeit.
Ein von der Posthalterei Buchen „kontraktmäßig“ angestellter Postbote, der Landpostbote Götz, der auf seinem Rundgang auch Scheringen versorgte, ist erstmals im Jahre 1842 nachweisbar. Vor dem Jahre 1859, dem Jahr der Einführung der Landpost-Anstalt, waren bei der Posthalterei Buchen folgende Landpostboten für die Zustellung in Scheringen zuständig: bis 1851 der Postbote Götz (nachgewiesen letztmals am 28. 3. 1851), danach der Postbote Beyer (nachgewiesen erstmals am 10.5. 1851). Wie oft die Postzustellung von Buchen nach Scheringen durchgeführt wurde, wissen wir nicht. Es ist aber anzunehmen, dass der Postzustellgang (zu Fuß!) — wie andernorts auch – nur einmal in der Woche erfolgte. Diese Annahme wird gestützt durch einen Brief aus Offenburg aus dem Jahre 1853, den trotz der zu dieser Zeit schon eingerichteten Postzustellung der zweimal wöchentlich gehende Amtsbote von der Post in Buchen nach Scheringen brachte und dafür eine Zustellgebühr kassierte; denn auf der Rückseite dieses Briefs ist quittiert: „Postporto 12 Kr, Bezirksbot 2 Kr, Se. 14
Großherzoglich Badische Landpost-Anstalt
Mit der „Allerhöchstlandesherrliche Verordnung Die Einführung einer Landpost-Anstalt betreffend“ vom 24. Februar 1859 (Großh. Bad. Regierungsblatt Nr. XIII vom 29.3.1859) sollte „auch den Landgemeinden des Großherzogtums, so weit dies noch nicht der Fall ist, die Wohlthat eines regelmäßigen und gesicherten Postverkehrs“ gewährt werden. Die Verordnung sah vor, dass vom 1. Mai 1859 an die Großherzogliche Post die Beförderung der Briefe und Zeitungen sowie der kleineren Paket- und Wertsendungen auf sämtliche Landgemeinden des Großherzogtums auszudehnen und zu diesem Zwecke eine Landpost-Anstalt einzurichten hatte.
Für die Entwicklung der Post-versorgung von Scheringen waren in diesem Zusammenhang folgende Festlegungen von Bedeutung:
- In allen Gemeindebezirken waren Briefladen zur Einlieferung von Briefen aufzustellen, es sei denn, es handelte sich um wichtigere Korrespondenzorte, in denen sich die Einrichtung von Postablagen lohnte.
- Die Beförderung und Zustellung der Postgegenstände nach und von den Landorten geschah durch verpflichtete Postboten, die ihren Boten-Bezirk von dem zuständigen Postort aus wöchentlich sechsmal, bei kleineren und minder wichtigen Korrespondenzorten mindestens dreimal begingen.
- Für eine Beförderung mittels der Landpost wurde eine besondere Landposttaxe (für Briefe bis zu 16 Loth beispielsweise 1 Kreuzer), für die Zustellung außerdem die Zustellgebühr wie in Postorten erhoben.
- Den Gemeinden war gestattet, die Amtsboten in bisheriger Weise beizubehalten, jedoch wurde diesen verboten, dem Postzwang unterliegende Gegenstände von Privaten an Private und von Privaten an Behörden zu befördern.
Diese Vorgaben wurden 1862 insoweit verbessert, als die besondere Landposttaxe in Wegfall kam und nun alle Landgemeinden sechsmal wöchentlich angelaufen wurden.
Demnach musste in Scheringen als „minder wichtigem Korrespondenzort“ eine Brieflade zur Einlieferung frankierter oder, soweit zulässig, auch unfrankierter Briefe eingerichtet werden. Wie diese Brieflade angebracht werden musste, schrieb den Gemeinden das zuständige Großh. Postamt vor: „Es wird Ihnen hierbei bemerkt, daß man als die geeignetsten Orte zur Anbringung derselben das Schulhaus oder das Rathaus ansehe, jedoch auch dagegen nichts einzuwenden habe, daß die Wohnung eines zuverläßigen und allgemein geachteten Privatmannes erwählt werde, wo dieß aus besonderen Gründen für nothwendig, oder zweckmäßig erachtet werden sollte. Die Brieflade ist an den betreffenden Häusern einzumauern und zwar an einer jedermann zugänglichen Stelle, wo möglich nicht an der Wetterseite des Hauses und jedenfalls in der Höhe von 4 Fuß vom Boden und so tief in die Mauer oder in die Riegelwand hinein, daß gerade nur die Thüre der Brieflade hervorsteht. Wo das Einmauern nicht thunlich ist, kam die Befestigung ausnahmsweise auch mittels sogenannter Bankeisen, welche in die Mauer oder das Holz eingelassen werden und woran die Brieflade anzuschrauben ist, geschehen.“
In Scheringen hatte man offensichtlich im Mai 1859 beim Anbringen der Brieflade diese Vorschrift des Großherzoglichen Postamts nicht richtig beachtet. Denn am 28. Oktober 1859 wird der Gemeinderechner Frank angewiesen, dem Maurer Peter Münch für eine Reihe von Arbeiten, die dieser für die Gemeinde erbracht hatte, unter anderem folgende Leistung zu bezahlen: „Am Schulhaus Die Brieflade wegenommen und eingemauert und das Dach auf dem Abtritt und Schweinestall renovirt 1 Tag… 40 Kr.“ Aus dieser Rechnungsposition wird deutlich, dass im Mai 1859 die Brieflade als früheste postalische Einrichtung in Scheringen zuerst provisorisch am alten Schulhaus, das sich gegenüber dem heutigen alten Schulhaus auf dem Grundstück des späteren Gasthauses „Adler“ befunden hatte, angebracht war. Im Oktober wurde die Brieflade vielleicht nach Anmahnung durch die zuständige Postexpedition — im Auftrag der Gemeinde durch Maurer Peter Münch, wie durch vorerwähnte Anweisung vorgeschrieben, in eine Mauernische am alten Schulhaus eingemauert.
In dieser Brieflade war ein kleiner Stempel untergebracht, der in einem Zahnkranz eine Ziffer enthielt. Jeder Brieflade im Landpost-Zustellbereich einer Postexpedition war eine bestimmte Nummer zugeteilt. Briefe, die der Landpostbote aus der Brieflade entnahm, hatte er auf der Vorderseite mit diesem sogenannten „Uhrradstempel“ zu bedrucken. Der in der Brieflade am Schulhaus in Scheringen befindliche „Uhrradstempel“ hatte, wie ein Brief aus dem Jahre 1861 aufzeigt, die Nummer „9.“.
Scheringen gehörte bei Einführung der Landpost-Anstalt vorerst noch zum Landbestellbezirk der Postexpedition in Buchen. Der vorerwähnte Brief aus Scheringen vom 12. Dezember 1861 trägt dementsprechend neben dem Uhrradstempel „9.“ den Postaufgabestempel „BUCHEN/P. Dez.“. Den Namen des Landpostboten verrät uns eine Postbotenquittung in den Gemeindeakten: „Die Rentei dahier wird angewiesen, dem Postboten Schmitt von Buchen für Überbringung der Pfandbuchbereinigungsausschreiben von mehreren Orten mit 26 Kreuzer auszuzahlen und in Ausgabe zu verrechnen / Scheringen 14. März 1863 / Den Empfang mit 26 Kreuzer erhalt Schmitt Postbot“.
Aber bereits einen Monat später, im April 1863, ist mehrfach belegt, dass Scheringen nun dem Landpostbotenbezirk der Postexpedition Oberschefflenz zugeordnet war. Von dort kam der Landpostbote Mathäus Sommer, um auf seinem Landzustellgang die Briefe, Zeitungen und kleinere Paketsendungen an Empfänger in Scheringen zuzustellen; hierbei leerte er auch die Brieflade und nahm die darin vorgefundenen Postsendungen zur Weiterbearbeitung nach Oberschefflenz mit zurück. In der Brieflade in Scheringen scheint auch nach der Zuteilung zum Landbestellbezirk von Oberschefflenz der Uhrradstempel mit der Nummer „9.“ nicht gegen einen mit anderer Nummer ausgetauscht worden zu sein, obwohl in diesem Bezirk bereits die Brieflade in Muckental die Nummer „9.“ führte; denn es liegen spätere Briefe aus Scheringen mit dem Aufgabestempel von Oberschefflenz und dem Uhrradstempel „9.“ vor, während eine andere Nummer noch nicht nachgewiesen werden konnte.
Ob die Zustellung in Scheringen schon 1859 sechsmal wöchentlich eingerichtet oder anfangs nur dreimal durchgeführt und erst bei der Verbesserung der Landpost-Anstalt im Jahre 1862 auf sechsmal wöchentlich ausgedehnt wurde, lässt sich aus den erhaltenen Unterlagen nicht ersehen.
Im Jahre 1867 wurde der bisherige Landpostbote Mathäus Sommer durch den Landpostboten Haag abgelöst, der von Oberschefflenz aus die Zustellung in Scheringen bis zum Ende der Großherzoglich Badischen Post durchführte. Wir werden sehen, dass er auch noch in der Reichspostzeit, später von der Postagentur Waldhausen aus, die Landzustellung in Scheringen wahrnehmen wird.
Wir haben zuvor schon erwähnt, dass den Einwohnern von Scheringen für die Aufgabe abzusendender Briefschaften oder Pakete nur die relativ weit entfernten Postanstalten in Neckarelz und Oberschefflenz, später in Mosbach und in Buchen zur Verfügung standen. Mit der Einführung der Landpost-Anstalt war vorgesehen worden, auch auf dem flachen Lande in „wichtigeren Correspondenzorten“ einfache Postanstalten, sogenannte „Postablagen“ einer nahegelegenen Postexpedition, einzurichten. Wenn auch Scheringen als „minder wichtigem CorrespondenzOrt“ eine Postablage versagt bleiben musste, so traten doch einige im näheren Umkreis ins Leben. Mudau erhielt eine Postablage von Buchen, Strümpfelbrunn eine solche von Eberbach; in Fahrenbach entstand eine Postablage von Mosbach, in Rittersbach eine zu Oberschefflenz gehörende, die später ebenfalls der Postexpedition Mosbach zugeteilt wurde. Für Scheringen hatte aber insbesondere die nahegelegene Postablage in Waldhausen, die zur Postexpedition Oberschefflenz gehörte und von 1868 an nachgewiesen werden kann, Bedeutung. Dort konnten die Scheringer nun ihre Postsendungen, soweit sie diese nicht dem Landpostboten anvertrauen wollten, in kommoder Nähe aufliefern. Solche Briefe erhielten bei der Einlieferung auf der Vorderseite einen Abdruck des ovalen Stempels „OBERSCHEFFLENZ/ POSTABL:/WALDHAUSEN“ und später, wenn der Landpostbote sie zur Postexpedition überbracht hatte, den Expeditionsstempel von Oberschefflenz.
Der Amtsbotendienst neben der Post
Mit der Einrichtung der Landpost-Anstalt war der Versuch der Großherzoglich Badischen Post verbunden, die bisher über die Botendienste der Ämter, Gemeinden und Gerichte beförderten Briefschaften, Akten und Gegenstände aufdie Post zu ziehen. Wo angängig, wurde sogar versucht, die bis dahin bestehende Organisation des Amts- und Gerichtsbotendienstes für den Aufbau der Landpost-Anstalt zu nutzen. Auch gab es Überlegungen, alle Dienste in eine Hand zu nehmen, wie ein Bericht der Direction der Posten und Eisenbahnen an das vorgesetzte Ministerium vom 25. Oktober 1847 zeigt: „Wenn man jedoch alle Mittel vereinigen könnte, die aufgewendet werden, um den behördlichen Verkehr zwischen Gemeinden und Amtsorten zu bestellen, so dürfte der Zuschuss aus der Postkasse weniger bedeutend ausfallen und eine möglichst vollkommene Einrichtung um so mehr gesichert sein; es setze dies allerdings voraus, dass den Postboten zugleich die Geschäfte der Gerichts- und Amts- und Gemeindeboten übertragen würden, „ Diese weitgehenden Gedanken konnten sich in den beteiligten Ministerien allerdings nicht durchsetzen.
Widerstand kam auch, wie Löffler schreibt, von den Gemeinden: „Insbesondere kränkte die Horen Bureaukraten, daß man den Postboten keine offenen Rundschreiben an die Bürgermeister mitgeben könne; wie sei das bisher so schön gewesen, wenn mm die morgens durch die Amtsboten hinausgetragenen Rundschreiben von den Beteiligen unterschrieben schon am gleichen Abend dem Oberamt hätte vorlegen können; jetzt dagegen solle man diese Schreiben verpacken, sie zur Postgeben ungeduldig ihre Rückkehr abwarten. Auch könne man den Postboten keine mündlichen Aufträge an die nachgeordneten Stellen erteilen usw.“
Dieser politische Widerstand führte schließlich, wie wir gesehen haben, dazu, dass es den Gemeinden freigestellt blieb, den bisher bestehenden Amtsbotendienst weiterzuführen oder auf die Landpost-Anstalt überzuwechseln. Lediglich die Beförderung von postzwangspflichtigen Gegenständen, die nicht von Behörde zu Behörde gingen, war den Amtsboten mit Inkrafttreten der Verordnung vom 24. 2. 1859 untersagt.
Um die an ihren gewohnten Amtsbotendienst festhaltenden Gemeinden und Ämter doch noch für den Landpostdienst der Post zu gewinnen, bot die Postverwaltung vom 1. Juli 1863 die taxfreie Beförderung der Briefund Fahrpostsendungen in Gemeindeangelegenheiten zwischen den zum selben Amtsbezirk gehörenden Gemeindebehörden unter sich und im Verkehr mit ihren vorgesetzten Bezirksbehörden gegen ein Aversum an, also einen festen jährlichen Pauschbetrag. Sobald sämtliche Gemeinden des Landes Baden ,an der Averseneinrichthung Theil nehmen, soll die taxfreie Beförderung von Correspondenzen der Gemeinden auch mit den Gemeindebehörden anderer Amtsbezirke ohne Erhöhung der vertragsmäßigen Aversa/betrüge eintreten.“ Die Höhe des Aversums war nach der Einwohnerzahl gestaffelt; für Scheringen mit einer Einwohnerzahl zwischen 251 und 500 Seelen war ein Aversum von 8 Gulden im Jahr angeboten.
Der Amtsbote Christ bezog für seine zwei bis höchstens dreimaligen Botengänge von Scheringen 7 Gulden und 27 Kreuzer. Dem etwas höheren Jahresaversum bei der Post stand als Vorteil für die Gemeindeverwaltung eine wöchentlich fünf- bis sechsmalige Verbindung zur Amtsstadt gegenüber. Da aber das Bezirksamt in Buchen als vorgesetzte Behörde von Anfang an die Organisation des Amtsbotendienstes in die Hand genommen hatte, konnten wohl nun einzelne Gemeinden aus diesem Amtsbotenbereich nicht ausscheren. So dauerte es bis zum Jahre 1869, bis der Gemeinderat Scheringen mit dem zuständigen Großherzoglichen Post- und Eisenbahnamt Lauda einen in den Gemeindeakten erhaltenen Vertrag abschloss, nach dem die Großherzogliche Postverwaltung vom 1. August 1869 an die gebührenfreie Beförderung der Gemeindesendungen gegen ein jährliches Aversum von 8 Gulden übernahm.
Dass der Amtsbotendienst zeitgleich eingestellt wurde und dass kurz darauf die Zahlung der vertragsmäßigen Aversen aller Gemeinden auf die Kreiskasse übernommen wurde, ergibt sich aus nachfolgender Beilage zur Gemeinderechnung: „Nach Amtsbeschluß v. 11. März 1844 No 5897 erhielt Amtsbote Chiftv. Buchen einen jährlichen Gehalt von 7/127 Kr. Derselbe erhielt Pro 1. Januar 1869 bis 1. August 1869, weil diese Botenanstalt aufhörte, für 7 Monate 4 fl 22 Kr. Laut anliegendem Vertrag ist vom 1. August 1869 anfangend für portofreie Beförderung der portopflicht. Briefe und Fahrpoststücke an Großh. Post eine Aversalgebühr von jährlich 8/1 zu zahlen. Per 1. August 1869 bis 1. Januar 1870 bezog solche für 5 Monate 6 fl 20 Kr. Vom I. Januar 1870 an überimmt Großh. Kreiskasse in Mosbach die Zahlung.“ Die amtlichen Sendungen gingen also nun mit der Post. Der Amtsbotendienst, der mancherorts noch lange weiterlebte, hatte für Scheringen sein Ende gefunden; lediglich die Gerichte benutzten noch eigene Gerichtsboten für förmliche Zustellungen (z. B. 1875: Gerichtsbote Lumpp; 1878: Gerichtsbote Krehmer).
Die bequeme Zeit des portofreien Versandes aller gemeindlichen Sendungen dauerte allerdings nicht sehr lange; denn vom 1. Januar 1872 an traten die abgeschlossenen Verträge mit dem Übergang der Großherzoglich Badischen Postverwaltung auf die Reichspost schon wieder außer Kraft. Erst 1905 wurde mit den staatlichen Behörden im Großherzogtum wieder eine Gebührenablösung vereinbart, auf der die bekannten Zähl-Dienstmarken „Frei durch Ablösung Nr. 16″ beruhen (Michel-Katalog Dienstmarken Nr. 9 bis 14).
Übergang der Großherzoglichen Post auf die Reichspost
Zum 1. Januar 1872 ging die Großherzogliche Badische Postverwaltung auf die Reichspost über. Die Postanstalt in Oberschefflenz war nun „Kaiserliche Post-Expedition“ und wurde aufgrund der Verfügung Nr. 10 vom 8. Januar 1876 (Amtsblatt des Reichs-Postamts Nr. 4) im Wege der Vereinheitlichung der Bezeichnungen der Post- und Telegraphenanstalten in ein Postamt der Gruppe III (Postamt III) umgewandelt. Aus der Großherzoglich Badischen Postablage Waldhausen wurde eine Kaiserliche Postagentur.
Mit der Einrichtung dieser Postagentur in Waldhausen wurde Scheringen dem Zustellbereich von Waldhausen zugeordnet; der bisherige Landpostbote Haag wechselte von Oberschefflenz nach Waldhausen und stellte die Sendungen für Scheringen nun als Landbriefträger von Waldhausen aus zu. Die postalische Bezeichnung lautete nun: „Scheringen Post Waldhausen“.
Einrichtung der Posthilfsstelle Scheringen
Dreizehn Jahre später, am 19. Oktober 1883, erhielt Scheringen endlich auch eine ortsfeste Posteinrichtung. Die Oberpostdirektion verfügte hierzu an das Kaiserliche Postamt Oberschefflenz: „Die am 19. October in dem Landbestellbezirke der Kaiserlichen Postagentur in Waldhausen in Wirksamkeit tretende Posthülfstelle in Scherigen soll ihre Verbindung mit dem übrigen Postnetze ausschließlich durch den Landbriefträger zu Fuß der Bestellungs-Postanstalt erhalten. Die Aufgabe der Posthülfstelle beschränkt sich im Wesentlichen auf den Verkauf von Postwerthzeichen und die Annahme gewisser Gattungen von Postsendungen … „. Als „Posthülfstellen-lnhaber“ wurde Hauptlehrer Valentin Albert angenommen. Er musste sich vor seiner Einstellung beim Bezirksamt in Buchen einfinden, wo ihm folgender Diensteid abverlangt wurde: „Ich schwöre Treue dem Großherzog und der Verfassung, Gehorsam dem Gesetze, des Fürsten wie des Vaterlandes Wohl nach Kräften zu befördern, den Anordnungen Sr. Majestät des Deutschen Kaisers Folge zu leisten und überhaupt meine Pflichten des mir übertragenen Amtes im Postdienste treu und gewissenhaft zu erfüllen. So wahr mir Gott helfe. gez. Valentin Albert“. Dass die Vereidigung sich gleichzeitig auf den badischen Großherzog und auf den Deutschen Kaiser bezog, lag daran, dass das Großherzogtum Baden noch als souveräner Staat bestand, der Postdienst aber, wie schon erwähnt, mit Wirkung vom 1. Januar 1872 auf die Kaiserliche Reichspost übergegangen war. In den „Besondere Bestimmungen über das Dienstverhältnis der Inhaber von Posthilfstellen“ hieß es unter Ziffer 1: „Die Wahrnehmung der Geschäfte einer Posthilfstelle gilt als unbesoldetes Ehrenamt.“ Der Inhaber erhielt also aus der Postkasse keine Besoldung; lediglich für die Zurverfügungstellung eines Raumes einschließlich Heizung, Beleuchtung und Reinigung wurde ihm eine jährliche Vergütung von 24 Mark gewährt.
Mit Einrichtung der Posthilfstelle stand den Einwohnern Scheringens nun im eigenen Ort eine Postanstalt zur Verfügung, bei der sie abzusendende Briefe und andere Sendungen zur Post geben konnten. Eine Posthilfstelle als kleinste Annahme-Postanstalt hatte aber keinen eigenen Aufgabestempel; auf dort eingelieferten Postsendungen wurde nach Rückkehr des Landzustellers, der die Sendungen von der Posthilfstelle Scheringen zur Postagentur Waldhausen beförderte, der Poststempel von Waldhausen abgedruckt. Nach Scheringen gerichtete Briefe von auswärts stellte nach wie vor der uns schon bekannte Landbriefträger Haag von der Postagentur Waldhausen zu.
Posthilfstellen-lnhaber Eduard Heckmann
Wie aus einem Bericht des Postamts III Oberschefflenz an die Kaiserl. Oberpostdirektion hervorgeht, fand bei der Posthilfstelle acht Jahre nach der Einrichtung ein Wechsel statt: „Posthilfstelle in Scheringen betreffend. Der Posthilfstelleninhaber Herr Hauptlehrer Albert in Scheringen ist, wie aus beiliegendem Schreiben ersichtlich, zum I. April 1893 nach Waldhausen (B) versetzt. Die Posthilfstelle daselbst muß daher auf eine andere dazu geeignete Person übertragen werden. Das Postamt bittet daher gehorsamt.‘ Die Kaiserl. Ober-Postdirection wolle den durch Herrn Hauptlehrer Albert in Vorschlag gebrachten Herrn Bürgermeister Heckman in Scheringen zum Posthilfstellen-lnhaber annehmen“, Die Akten beim Postamt Mosbach sagen aus, dass Bürgermeister und Müller Eduard Heckmann nach seiner Vereidigung als Posthilfstellen-Inhaber die Posthilfstelle am 20. April 1893 übernahm. Die Jahresvergütung blieb bei 24 Mark.
Die Zustellung erfolgte nach wie vor von der Postagentur Waldhausen aus. Der schon aus der Großherzoglich-badischen Zeit stammende Landpostbote Haag wurde jedoch im Laufe der Jahre von anderen Kollegen abgelöst; die Landbriefträger hießen nun Gramlich, Weckbach, Heck und Baumann.
Telegraf und Telefon in Scheringen
Im Zuge des schnell fortschreitenden Ausbaus des Fernsprechnetzes sollte auch Scheringen an dieser Einrichtung partizipieren. Die Postverwaltung bot den abseits liegenden Gemeinden den Anschluss gegen finanzielle Beteiligung an den Investitionskosten an. Die Gemeindeverwaltung Scheringen verpflichtete sich im Jahre 1904 gegenüber dem zuständigen Postamt Oberschefflenz zur Übernahme eines einmaligen Beitrags von 210 Mark für die Herstellung einer Fernsprechleitung. Daraufhin wurde die Leitung umgehend hergestellt, und schon im April konnte in der Zeitung „Der Odenwälder/Buchener Anzeiger“ Nr. 50 gemeldet werden: „Buchen, 27. April 1904. Postalisches. Gestern wurden in Einbach, Laudenberg md Scheringen, diesseitigen Amtsbezirks, Reichs-Telegraphenanstalten mit Fernsprechbetrieb in Verbindung mit den vorhandenen Posthilfstellen eröffnet. Die neuen Betriebsstellen sind öffentliche Fernsprechstellen; sie befassen sich mit Unfallmeldungen in Form von Telegrammen und Gesprächen.“ Vom 26. April 1904 an war also Scheringen erstmals an das Telegrafen-und Fernsprechnetz angeschlossen; der Posthilfstelle war nun eine Telegrafenhilfstelle angegliedert. Über das Telefon bei der Hilfstelle konnte nun von jedermann telefoniert werden. Über den Hilfsposthalter konnte man Telegramme empfangen und absenden. In Notfällen konnten im Unfallmeldedienst Arzt, Tierarzt oder Feuerwehr herbeigerufen werden. Dass diese Möglichkeiten genutzt wurden, zeigen zwei Belege bei den Gemeinderechnungen: „Die Gemeinde Scheringen schuldet an die hiesige Telegraphenhülfstelle folgende Gebühren über geführte Fern-Gespräche anläßlich der Erkrankung und Schlachtung des Gemeindefarren … , Scheringen den 31. Dezember 1909, Posthilfstelle Heckmann“ und aus dem Jahre 1911: „Die hiesige Gemeindekasse schuldet an die Kasse der hiesigen öffentl. Fernsprechstelle anläßlich der Erkrankung der Ortsarmen Margarethe G . . . für aufgeführte telef. Gespräche die Summe von 80 Pf…. Posthilfstelle Heckmann.“
Posthilfstellen-lnhaber Karl Heckmann
Am 1. April 1913 ging die Posthilfstelle Scheringen von Eduard Heckmann auf seinen ältesten Sohn, den „Mühlenbesitzer“ Karl Heckmann über. Die Verpflichtung erfolgte durch den Postverwalter Endle vom zuständigen Kaiserlichen Postamt Oberschefflenz, der zugleich auch die Ehefrau Therese Heckmann, geb. Metzger, als Vertreterin verpflichtete.
Über die Zeit des 1. Weltkriegs hinaus bis zum Ende der Inflationszeit blieben dann die postalischen Verhältnisse in Scheringen unverändert. Im Jahre 1905 war zwar im benachbarten Limbach, das in diesem Jahr über die Nebenbahn Mosbach — Mudau an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden war, eine Postagentur eingerichtet worden. Diese wurde, wie zahlreiche Einlieferungsbelege zeigen, auch von der Scheringer Bevölkerung recht rege zur Aufgabe von Postsendungen benutzt. Aber die Landzusteller — sie hießen nun Heck, Baumbusch, Aushelfer J. Schöllig und später Schulz – kamen weiterhin von der Postagentur Waldhausen nach Scheringen.
Im Jahre 1922 fasste auch der Postscheckdienst in Scheringen Fuß, als die Gemeindeverwaltung auf Drängen des Bezirksamts ein Postscheckkonto beim Postscheckamt Karlsruhe einrichtete, das sich ein Jahr später bei den in der Inflation abzurechnenden Riesensummen sicher bewährte.
Auch die Posthilfstelle hatte mit der rasanten Geldinflation zu kämpfen. Die für uns heute unvorstellbaren Verhältnisse macht eine Notiz deutlich, die sich in den Akten beim Postamt Mosbach befindet. Wir haben bereits erwähnt, dass dem Posthilfstellen-lnhaber eine Jahresvergütung von 24 Mark zustand. Unter der Überschrift: „Vergütungssätze der Hilfstelle Scheringen“ hat auf diesem kleinen Papier damals jemand vom Postamt die Entwicklung dieser 24 Mark über die Hochinflationszeit hinweg festgehalten. Danach berechnete sich die Vergütung des Posthilfstellen-lnhabers auf folgender Grundlage:
- bis 1. April 1923 jährlich 800 Mark,
- ab 1. April 1923 jährlich 12 000 Mark,
- ab 1. Juli 1923 jährlich 120 000 Mark,
- ab 1. Okt. 1923 jährlich 58 500 000 000 Mark
- ab 1. Nov. 1923 jährlich 4 032 000 000 000 Mark (das sind mehr als 4 Billionen Mark),
- ab 1. Jan. 1924 fiel die Vergütung kurzzeitig ganz in Wegfall und wurde danach auf 48 Rentenmark neuer Währung neu festgesetzt.
Kurz darauf änderte sich die Postversorgung Scheringens grundlegend. Nachdem über 60 Jahre lang die Post für Scheringen über Oberschefflenz und Waldhausen gekommen war, wurde die Gemeinde nun dem Postamt Mosbach zugeordnet und von Limbach aus versorgt. Die Posthilfstelle gehörte jetzt zum Landbestellbezirk der seit 1905 vom Postagenten Zimmermann geführten Postagentur Limbach. Von dort aus brachte nun die nächsten sieben Jahre der Landbesteller Kraus die Post, die mit der Nebenbahn in Limbach ankam, nach Scheringen und stellte sie dort den Empfängern zu.
Hilfsposthalter und Posthalter II Alois Fritz
Karl Heckmann, der kurz zuvor noch auf die Weimarer Verfassung vereidigt worden war, musste 1927 die Posthilfstelle aufgeben. Der Grund ist in einer Aktennotiz der Oberpostdirektion erkennbar: „Die Hilfstelle ist am 12. Februar 1927 dem Gastwirt Alois Fritz übertragen worden, da Heckmann sein Haus verkauft hat und eine Einigung wegen Verlegung des Apparats in den 2. Stock mit dem neuen Besitzer nicht zu er reichen war“.
Der Gastwirt Alois Fritz war also nun der Hilfsposthalter der in das Gasthaus „Adler“ umgezogenen Posthilfstelle Scheringen. Dort hat sie sich offensichtlich gut entwickelt; denn am 17. März 1931 wurde die zu diesem Zeitpunkt schon 46 Jahre alte Posthilfstelle in eine Poststelle II, eine ortsfeste Posteinrichtung mit umfangreicherem Dienstleistungsangebot, umgewandelt. Sie wurde in die neu eingerichtete Odenwald-Rundfahrt der Landkraftpost des Postamts Mosbach einbezogen und übernahm auch selbst den Zustelldienst.
Nun kam morgens kurz vor 9 Uhr das Postauto von Mosbach und brachte die Post, die dann gleich vormittags von der Briefträgerin Hedwig Fritz im Ort ausgetragen wurde. Später, von 1936 an, wurde Gertrud Fritz für den Zustelldienst eingestellt. Und seit Einrichtung als Poststelle II sah man auch den eingelieferten Briefen und Postkarten an, woher sie kamen. Die Poststelle II führte nämlich einen Gummistempel mit der Inschrift: „Scheringen Mosbach.(Baden) Land“, der auf jeder durch den Briefkasten oder bei der Poststelle eingelieferten Sendung auf der Vorderseite abgedruckt wurde. Vom Jahre 1933 an hatte der Gummistempel der Poststelle II die Inschrift: Scheringen über Mosbach (Baden)“.
In den Endjahren des Zweiten Weltkrieges musste die Landkraftpostlinie eingestellt werden, weil der Krieg alle Rohstoffe auffraß. Es fehlten Gummi und Treibstoff; alle entbehrlichen Kraftfahrzeuge mussten für Wehrzwecke bereitgestellt werden. Für Scheringen wurde daraufhin die Postversorgung über die Nebenbahn Mosbach — Mudau organisiert. Die Post kam von Mosbach aus mit dem Zug 2402 der Nebenbahn um 9.09 Uhr in Limbach an. Dort holte sie der Scheringer Briefträger im Rahmen einer Fußboten-Postverbindung am Bahnhof ab und brachte gleichzeitig die in Scheringen ausgelieferten Sendungen zum Zug.
Bald nach Ende des Krieges, als nach und nach Kraftfahrzeuge, Ersatzteile und Treibstoffe wieder verfügbar waren, wurde wiederum auf Postversorgung mit der Landkraftpost umgestellt, die nun allerdings erst kurz vor Mittag ankam, so dass erst am Nachmittag zugestellt werden konnte. Das zur Verfügung stehende Material an Kraftfahrzeugen war aber offensichtlich noch sehr schlecht; denn es wurde mit folgender Begründung angeordnet, dass das Postauto in Scheringen unten an der Straßenkreuzung halten musste: „Der LdKw (Landkraftpostwagen) kann aus technischen Gründen nicht mehr m der Poststelle anhalten, weil an einem sehr steilen Weg gelegen md beim Anfahren m dem mit Paketen hoch beladenen Kfz. vermutlich schon zweimal die Achse beschädigt wurde.“
Posthalterin Ida Fritz
Der Posthalter Alois Fritz war im Dezember 1945 verstorben. Während sonst beim Freiwerden einer Poststelle eine öffentliche Ausschreibung über das Bürgermeisteramt erfolgen oder zu einem schon vorhandenen Bewerber die Zustimmung des Gemeinderats und die Genehmigung der Oberpostdirektion eingeholt werden musste, war unmittelbar nach Kriegsende die Verwaltung noch nicht wieder so weit aufgebaut und funktionsfähig, dass man hätte so verfahren können. Deshalb übernahm die Witwe des Alois Fritz, Frau Ida Fritz, kurzerhand die Dienstgeschäfte bei der Poststelle II Scheringen; sie wurde später offiziell als Posthalterin bestätigt und blieb schließlich bis zum Alter von 68 Jahren in diesem Amt.
Auch im Zustelldienst gab es einen Wechsel. Die bisherige Zustellerin Gertrud Fritz hatte geheiratet und führte nun den Nachnamen Kraus; sie schied auf eigenen Antrag im Jahre 1947 aus dem Postdienst aus, worauf Irma Fritz, die auch ihre Mutter als Posthalterin vertrat, den Zustelldienst übernahm. Das Postauto kam nun bereits wieder um 11.30 Uhr, so dass die Zustellung etwa um 14 Uhr beendet sein konnte.
Wegen der durch den Krieg und seine Folgen fehlenden Fachkräfte im Postdienst war Deutschland in Postleitgebiete aufgeteilt worden. In der Anschrift jeder Postsendung musste vor dem Bestimmungsort in einem Kreis oder einer Klammer das Postleitgebiet angegeben werden, so dass ungelernte Kräfte zum Verteilen der Post eingesetzt werden konnten. Scheringen gehörte zum Postleitgebiet 17a, das bis zum Ende des Krieges das Land Baden, danach nur noch den nordbadischen Raum umfasste. Infolgedessen trugen die in zwei unterschiedlichen Typen verwendeten Gummistempel bei der Poststelle II Scheringen nun die Inschrift: „(17a) Scheringen üb. Mosbach/Baden“ bzw. „(17a ) Scheringen über Mosbach (Baden)“.
Nach den in den 60er Jahren geltenden Vorschriften hatten Posthalter im allgemeinen mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Posthalterdienst auszuscheiden. Auf Antrag des zuständigen Postamts konnte die Oberpostdirektion genehmigen, dass ein Posthalter noch drei Jahre über das allgemeine Rentenalter hinaus eine Poststelle weiterführen konnte. Entsprechend dieser Möglichkeit hatte das Postamt Mosbach, weil es die postalischen Verhältnisse im Hause Fritz als zweckmäßig erachtet hatte, erreicht, die Posthalterin Ida Fritz bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres weiterbeschäftigen zu dürfen. Über dieses Alter hinaus war ein weiteres Verbleiben im Posthalterdienst, wie es in früherer Zeit häufig vorkam, allerdings nicht mehr möglich, so dass die Posthalterin Ida Fritz, die im März 1956 68 Jahre alt geworden war, mit Ablauf dieses Monats die Posthaltergeschäfte abgeben musste.
Posthalter Erwin Fritz
Mit Wirkung vom 1. April 1956 wurde die Poststelle mit einem Arbeitsvolumen von 12 Wochenstunden Posthalterdienst an Erwin Fritz übertragen. Der neue Posthalter war der Sohn der ausgeschiedenen Posthalterin, so dass die Poststelle weiterhin im Hause Fritz bleiben konnte. Der Zustelldienst, der 1955 wegen mehrerer neu erbauter Häuser Im Osten und Westen des Dorfes auf 23 Arbeitsstunden in der Woche angewachsen war, wurde nach wie vor von der Zustellerin Irma Fritz ausgeführt.
Hier sollte erwähnt werden, dass bei den kleinen Poststellen die Tätigkeiten nicht immer so streng getrennt wahrgenommen wurden, wie dies nach Aktenlage unterstellt wurde. Die Arbeit bei ländlichen Poststellen wurde oft im Familienverbund erledigt, so dass auch sicher hin und wieder der Posthalter die Briefe austrug oder der Zusteller am Postschalter zu finden war. Diese familiäre Zusammenarbeit war auch für die Postverwaltung von Vorteil: Bei einer kurzen Erkrankung musste nicht gleich ein Vertreter eingesetzt werden; die Aufgaben des Erkrankten wurden kurzerhand von den Familienmitgliedern mit erledigt.
In den 60er Jahren war in Scheringen der Postschalter von 10.30 bis 12.30 Uhr geöffnet. Das Postauto kam um 11.52 Uhr. Die Zustellung fand gleich anschließend statt und war am frühen Nachmittag beendet. Die Schalterzeit war zwar offiziell auf zwei Stunden begrenzt, war aber sicher nicht so streng gesehen worden. Auf dem Lande wurden oft abends, wenn die Landwirte vom Feld und die Berufstätigen von der Arbeit zurück waren, mehr Postschaltergeschäfte erledigt als in den festgesetzten Schalterstunden. In Scheringen, wo sich die Post in Verbindung mit einer Gastwirtschaft befand, waren vielleicht ein bei der Post aufzugebender Brief oder eine einzuzahlende Zahlkarte willkommene Vorwände für einen abendlichen Besuch des „Adler“.
Posthalterin Irma Fritz
Nach sechs Jahren Posthalterdienst schied Erwin Fritz auf eigenen Antrag aus dem Posthalterdienst aus. Seine Schwester Irma Fritz, die bis dahin neben dem Zustelldienst auch die Vertretungen ihres Bruders in den Posthaltergeschäften wahrgenommen hatte, wurde zur Posthalterin ernannt. Ihr oblag nun mit einem Leistungsumfang von 33 Stunden in der Woche neben dem Posthalterdienst auch der Zustelldienst in Scheringen. Vertreten wurde sie von der neuverpflichteten Frau Elfriede Zimmermann. Die Vereinigung der Posthalter- und Zustellgeschäfte war möglich geworden, weil das Postauto der Landkraftpost bereits morgens gegen 8 Uhr ankam, so dass die Zustellung nun endlich am Vormittag stattfinden konnte.
Über die Einrichtung der Poststelle gibt uns ein Bericht des Postamts Mosbach an die Oberpostdirektion Auskunft: „Bei der PSt II Scheringen befindet sich ein in die Türe zum Postraum eingelassener Schalter. Er war veraltet und genügte nicht mehr den Erordernissen. Eine Erneuerung war im dienstlichen Interesse dringend erforderlich. Der neue Schalter ist ebenfalls in die Türe zum Postraum eingelassen. „
Im Jahr 1961 führte die Deutsche Bundespost ein grundlegend neues Postleitzahlen-System ein. Die Gemeinde Scheringen, in diesem System dem Leitbereich 695 Mosbach zugeordnet, führte gemeinsam mit vielen kleineren Orten dieses Leitbereiches die Sammel-Postleitzahl 6951. Dementsprechend bekam die Poststelle II Scheringen einen neuen Gummistempel mit der Inschrift: „6951 Scheringen“. Später wurde die Poststelle Scheringen, wie alle anderen Poststellen II auch, mit einem Metall-Tagesstempel mit entsprechender Inschrift ausgerüstet.
Eine Verbesserung der postalischen Einrichtungen in Scheringen brachte die am 11. August 1971 erfolgte Installation eines Fernsprechhäuschens am damaligen Rathaus. Den Einwohnern, die noch kein eigenes Telefon hatten, stand nun neben dem seit dem Jahre 1904 bestehenden öffentlichen Fernsprecher bei der Poststelle der Tag und Nacht zugängliche Münzfernsprecher in der Telefonzelle zur Verfügung.
Doch bald darauf sollten sich die ortsfesten Posteinrichtungen Scheringens zurückentwickeln. Die Zeit der Post im Hause Fritz, dem Gasthaus „Adler“, neigte sich nach 45 Jahren ihrem Ende zu. Die Posthalterin Irma Fritz beendete ihr Dienstverhältnis bei der Post auf ihren eigenen Antrag mit Ablauf des 31. Mai 1972.
Übergang zu den heutigen Postverhältnissen
Die Gemeindereform in Baden-Württemberg war zu diesem Zeitpunkt nach breiter Diskussion schon in ein ziemlich konkretes Stadium getreten. Zudem ging die Deutsche Bundespost aus Gründen der Wirtschaftlichkeit immer mehr dazu über, kleine Poststellen auf dem flachen Lande mit geringer Kundennachfrage nach und nach aufzulösen.
Zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Posthalterin Irma Fritz konnten das Postamt Mosbach und die Oberpostdirektion noch nicht eindeutig absehen, wie sich die gemeindliche Neuordnung im Limbacher Raum endgültig entwickeln werde. U m für alle künftigen Entwicklungen offen zu sein, sah die Postverwaltung vorerst von einer Aufhebung der Poststelle Scheringen ab. Sie beließ sie vorerst im Hause Fritz und ließ die Posthaltergeschäfte von August Weber, dem Posthalter der benachbarten Poststelle Waldhausen, wahrnehmen. Nachdem nach der Bürgeranhörung über den Eingemeindungsvertrag der Gemeinde Scheringen in die Gemeinde Limbach im Juli 1973 die künftige Entwicklung festgelegt war, handelte das zuständige Postamt Mosbach umgehend.
Wegen der beschränkten Raumverhältnisse bei der Poststelle Limbach war es zwar nicht möglich, dort sofort ein Postamt mit Zustelldienst für alle nach Limbach eingemeindeten Orte einzurichten; hiermit musste bis zur Fertigstellung des Neubaus eines Miet-Postamts zugewartet werden. Aber die Poststellen II Scheringen und Balsbach, beide mit sehr schwachem Postverkehr, sollten trotzdem umgehend aufgelöst und beide Orte von Limbach aus postalisch versorgt werden.
Die Aufhebung der Poststelle II in Scheringen erfolgte Ende September 1973. Die Bevölkerung Scheringens wurde über die Änderung in einer Postwurfsendung des Postamts Mosbach informiert: „Wir geben Ihnen hiermit zur Kenntnis, dass die Poststelle II in Scheringen aus wirtschaftlichen Gründen mit Wirkung vom 1. Oktober 73 aufgehoben wird. Nach Aufhebung der Poststelle und den sich daraus ergebenden postalischen Folgerungen ändert sich auch Ihre Anschrift. Sie lautet jetzt:
6951 Limbach, Baden
Scheringen, …str. Nr. …
Der Name Scheringen kann zur Erzielung EDV-gerechter Anschriften wie folgt verkürzt werden:
6951 Limbach, Baden
Sche, … str. Nr. …
Die Zustellung in Scheringen wird künftig von einem motorisierten Landzusteller, Herrn Schmitt aus Balsbach, von der Poststelle Limbach aus durchgeführt. Dieser nimmt während der Zustellung abgehende Postsendungen (auch Postanweisungen, Zahlkarten, Einschreib- und Wertsendungen sowie Pakete) entgegen und nimmt zudem den Postsparkassendienst wahr. Außerdem können Postwertzeichen … bei ihm bezogen werden… Der Briefkasten verbleibt an der bisherigen Stelle und wird werktäglich einmal während des Zustellganges geleert. Für den Fernsprechdienst steht das Fernsprechhäuschen zur Verfügung ….“ Mit dieser Maßnahme hatte die Post der am 1. Januar 1974 folgenden Gemeindereform um drei Monate vorgegriffen. Scheringen hatte seine im Jahre 1885 eingerichtete Post am Ort nach 88 Jahren wieder verloren; es wurde wieder — wie vordem — von einem Landpostboten versorgt, allerdings nicht mehr zu Fuß, sondern mit dem Auto. Von den ehemaligen Postgeschäften im Gasthaus „Adler“ ist lediglich der am Hause angebrachte Briefkasten übriggeblieben; auch Telegramme nach Scheringen werden heute noch über die Gemeindlich-öffentliche Sprechstelle im „Ad1er“ zugesprochen und zugestellt.
Inzwischen hat sich seit 1973 in der Postversorgung Scheringens nichts mehr verändert. Der durch die Gemeindereform stark gewachsene Ort Limbach mit seinem nun bedeutenden Postverkehr bekam allerdings im Jahre 1985 statt der bisher mit vielen umliegenden Orten gemeinsam geführten Sammel-Postleitzahl 6951 eine eigene Postleitzahl 6958 zugeteilt. Seit dieser Zeit tragen richtig beanschriftete Briefe nach Scheringen, bei denen der alte Ortsname weiterverwendet werden soll, beispielsweise folgende Anschrift:
X … Y …
Scheringen
Schulstraße 1
6958 Limbach