Edwin Henn
Nach dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluß von 1803 fiel Scheringen als Glied der Amtsvogtei Mudau an das fürstliche Haus Leiningen. Nach dessen Mediatisierung 1806 an das neu geschaffene Großherzogtum Baden. Diese Tatsache berührte die Bewohner unseres Raumes minder schwer, hatte jedoch für die Zukunft schwere Folgen. In Verquickung mit der 1810 unter dem Diktat Napoleons durchgeführten Gebietsreform und der Bildung der badisch-bayrischen Grenze, wurden gewachsene Handelsräume zerstört und unser Raum zunächst zum bedeutungslosen Hinterland. Die Folgen – nicht nur für die Landwirtschaft – sind bis heute spürbar.
Zwar schickte die leiningische Regierung noch 1803 einen Bogen mit 88 Fragen an die Amtsvogtei Mudau, welche für jede Ortschaft zu beantworten war, um Kenntnisse über die Verhältnisse im neuen Fürstentum zu erhalten. Doch bevor Maßnahmen greifen konnten, wurden erneut Fragebogen verschickt. Zwar waren die Fragen ausgeklügelt und hätten bei sachkundiger Beantwortung einen genauen Überblick über die Verhältnisse gespiegelt, doch argwöhnisch gegenüber allem Neuen und jeden Hintergedanken der Obrigkeit auslotend, machten die Schultheißen wohl nicht immer wahrheitsgemäße Angaben. Oft verstanden sie die Fragen auch ganz einfach nicht.
Nach diesen Fragebogen hatte Scheringen im ]ahre 1806 197 Einwohner und war mit 7000 Gulden verschuldet. An Viehbestand waren vorhanden: 6 Pferde, 6 Ochsen, 30 Kühe, 100 Rinder und Zugtiere, 30 Schafe, 60 Schweine und 15 Ziegen. Die Wiesen waren hälftig ein- und zweimähdig und brachten 900 Zentner Futter.
Es herrschte die unverbesserte Dreifelderwirtschaft und in der Hauptsache baute der Scheringer Bauer Korn, Hafer, Heidekorn und Kartoffeln an wie im übrigen Odenwald auch. Das Korn wurde in die Winterflur gebaut und war das Hauptbrotgetreide des Odenwälders. Doch es reichte bei weitem nicht aus und die Fehlmenge wurde im Bauland gekauft. Die einzige Getreideart, die teilweise in den Handel kam, war der Hafer, der als Sommerfrucht gebaut wurde und üppig gedieh. Viel gesät wurde auch das genügsame Heidekorn (Buchweizen), welches in der Brachflur oder in der Brennerde der Hackwaldungen gut wuchs. Das Heidekorn lieferte ein gutes, weißes, aber schweres Mehl.
Hauptnahrungsmittel war jedoch die Kartoffel, die den Odenwälder vor dem Hunger bewahrte. Daneben wurden auch Flachs und Hanf angebaut. Der Erlös betrug 1806 in Scheringen 3 Zentner „gebrechter Flachs“ und 100 Pfund Hanf. Er wurde auf den Flachsdarren am Ortsausgang gegen Waldhausen und im Unterdorf westlich des Anwesens Müssig gedarrt und gebrochen.
Die Bewirtschaftung wurde allgemein als sehr schlecht beurteilt. Dazu berichtete Cameralpraktikant Lauter 1845: „Die Fruchtfolge ist nicht bestimmt, sie besteht in einer Art von Raubbau, indem man sich bemüht, dem Acker, wenn er beginnt etwas Kraft zu bekommen, diese so schnell als möglich wieder zu nehmen. Man bricht z. B. die Heumatten (meist einmähdige Wiesen) vier Zoll tief um und baut mehrere Jahre ohne Düngung Roggen, Hafer und Kartoffeln in den Umbruch, bis daß der Acker nichts mehr tragen will, sodann läßt man ihn entweder geradezu wieder als Ödung liegen oder säht Klee ein, der natürlich keinen sehr großen Ertrag liefern kann.
Die Bauern bearbeiteten den Boden mit dem alten, einfachen Wendepflug mit hölzernem Riester. Er riß den Boden mehr auf, als daß er ihn umbrach.
Die Egge wurde nur zum Unterbringen des Saatgutes verwendet, nicht zur Schollenzerkleinerung. Die schlechte Düngung, Asche und Mist, tat das übrige. Mist war ohnedies kaum vorhanden, da die Tiere nur über Winter im Stall standen und über Sommer auf die Weide oder in die Wälder getrieben wurden. Dort wurden sie meist von Kindern zwischen 9 und 16 Jahren gehütet, was natürlich auch der Bildung der Kinder abträglich war. Überall fehlte auch das Pfuhlloch.
Um die unrationelle Weidewirtschaft abzustellen, warb Amtmann Weber aus Buchen 1823 um die endgültige Einführung der Stallfütterung. Er wies auf die Vorteile, wie Schonung der Wälder, Einsparung der Hirten und den Erhalt von wertvollem Dung hin. In Scheringen stimmten daraufhin 27 von 29 Bauern dieser zu.
Im Einklang mit der Stallfütterung sollte die Weidewirtschaft beschränkt und der Futterbau vermehrt betrieben werden. Auch wurde die Schafzucht aktiviert.
Besonderes Augenmerk legte man auf die Viehzucht, die nach Einführung der Stallfütterung, so meinte man damals jedenfalls, sich zwangsläufig bessern sollte.
Futtermangel und ungenügende Fasselhaltung ( 200 Kühe auf einen Fassel) ließen die kleine Odenwälder Rasse jedoch für lange Zeit keinen Zuchtwert erringen.
Hinzu kamen die sozialen und finanziellen Probleme der Bauern. Oft brachte die Ernte nur wenig mehr als ausgesät wurde, sie waren hochverschuldet. Durch zu leistende Kriegslasten, Vorspanndienste für die Truppen und Versorgung dieser (sie hatten bei Einquartierungen ganze Dörfer „leergefressen“), die Überbevölkerung (Scheringen hatte 1847 233 Einwohner), die Abgaben an den Staat, die Standesherrschaft und die Gemeinde, aber sicher auch die Auszahlung der Geschwister und das Leibgeding bei Hofübernahme (oft lasteten gar 2 Leibgedinge auf einem Hof), schien der Niedergang der Odenwaldbauern unaufhaltsam. Höfe wurden ganz oder partiell versteigert, so erhielten auch Tagelöhner die Möglichkeit, eigenen Grund und Boden zu erwerben. Besonders auch die Hungerjahre 1816/17, es soll von Anfang Mai bis Mitte August nur 8 schöne Tage gegeben haben, und der inflationäre Preisverfall bei Lebensmitteln steigerten die Not. Die Ernte begann erst Ende August und endete eine Woche vor Michäeli (29. September). Der Flachs soll um diese Zeit noch geblüht haben. Der Preis für 6Pfundlaib Brot stieg von 12 Kreuzern im Februar 1816 bis zum Juli 1817 auf 50 Kreuzer stetig an. Zuletzt konnten die Bäcker aus Mangel an Korn nicht mehr backen. Aus Polen und Rußland mußte durch die Regierung Getreide importiert werden.
Wie wohnte der Odenwaldbauer damals?
Das Anwesen der Kleinbauern barg Wohnung und Wirtschaftsräume unter einem Dach. Häufig so, daß Stall und Wirtschaftsräume nicht neben oder hinter, sondern unter dem Wohnraum lagen.
Größere Bauern hielten Stallungen und Wohnhaus bereits getrennt. Das untere Stockwerk war aus Sandstein, das obere Stockwerk aus bunt bemaltem Fachwerkbau mit spitzem Giebel und Strohdach. Noch größere Mannigfaltigkeit fand man im Innern der Häuser. Grundregel war, daß man durch den Hausflur einerseits in die Wohnstube und die dahinter liegende Schlafkammer, andererseits in die meist durch eine Querwand abgetrennten Stallungen gelangen konnte. Geradeaus war die Küche. Hier war oft der Backofen angebaut.
Vom Hausflur aus vermittelte eine hölzerne, verschalte Stiege den Aufgang auf den „Boden“ oder Fruchtspeicher. An den Wänden der Wohnstube waren Holzbänke angebracht, am Eingang zur Kammer stand meist der große, eiserne Ofen, den man auch zum Kochen benutzte. Gegessen wurde aus einer Schüssel und zwar in der Hauptsache Kartoffeln und Mehlspeisen. Dienstag, Donnerstag und Sonntag waren „Fleischtage“. Verzehrt wurde selbstbereitetes, geräuchertes Schweinefleisch. Grünes Fleisch (Rindfleisch) kam nur an Festtagen auf den Tisch. Getrunken wurde Most, Bier und selbsthergestellte Säfte.
Unzufriedenheit und Armut wachsen weiter
Es schien, als ob sich alles gegen die Bauern verschworen hätte. Am 19. und 20. Juli 1839 wurden in unserem Raum Ernte und Baulichkeiten schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sogar Tiere auf der Weide wurden durch hühnereigroße Hagelkörner verletzt. Das Jahr 1842 brachte wieder eine Teuerung. Durch die andauernde Hitzeperiode litten die Sommerfrüchte, der Futterbau und die Kartoffel sehr. Die Waldweide wurde in diesem Jahr offiziell zugelassen. Die Not wuchs ins Unermeßliche, als im Jahre 1845 die Kartoffelernte durch die Kartoffelkrankheit nahezu vollständig vernichtet wurde. Nun konnte die Regierung in Karlsruhe die Not im weit entfernten Odenwald nicht länger ignorieren. Das Innenministerium ordnete 1847 eine gründliche Untersuchung der Zustände in 36 Odenwaldgemeinden durch Gartenbaudirektor Metzger aus Heidelberg an.
In seinem Bericht von 1847 hielt er die erschreckende Bilanz der Bereisungen fest. Einst vermögende Odenwaldgemeinden waren soweit heruntergewirtschaftet, daß sie ganz oder teilweise zum Verkauf standen.
So schrieb Metzger: „Die Gebäude stehen nur selten in geschloßenen Döifern beisammen, sondern bilden eigenthliche Höfe, die bald nah bald fern voneinander liegen. Die Höfe haben keinen Verschluß und sind offen. Die Umgebung der Gebäude ist meist unbebaut und dienen zur Lagerstätte von Holz, Reisig, Steinen etc. und sind den Hühnern zur Waide Preiß gegeben, während unterm Schutz der Gebäude die schönsten Gärten angelegt werden könnten; allein diese kennt der Odenwälder nicht und daher kommt es, daß er auch außer Sauerkraut und Kartoffeln kein anderes Gemüse kennt, noch weniger zu eßen hat.“
„Die Stallungen sind sehr kurz, haben meist keinen Abzug für den Pfuhl, das Vieh steht mit den Hinterfüßen im Kote, was mit dem Waidgang im Herbst auf naßen Wiesen zur Klauenseuche beitragen mag.“
„Die Gebäude sind geräumig und zweckmäßig, aber oft in desolatem Zustand. Schmutz und Unrath ist überall zuhauße.“
„Die Waldkultur ist für den Odenwald ein sehr wichtiger Gegenstand, der den alten Odenwälder theils ernährte und in Wohlstand hielt …“
“ … wo noch einigermaßen gut erhaltene Waldungen vorkommen wie in Rumpfen und Oberneudorf, sind jährliche Geldeinnahme ersichtlich und wo diese ruiniert sind, ist Armut und Lumperey wie in Langenelz, Wagenschwend, Laudenberg und vielen anderen Orten vorhanden.“
Über unsere Nachbargemeinden schrieb Metzger:
Einbach:
„… einst eines der reichsten Dörfer im Odenwald – jetzt total verarmt. Für Staat und Umgebung wäre die beste Lösung, wenn hier ein Mustergut errichtet würde und die Bewohner würden auswandern.“
Laudenberg:
„…1500 Morgen Privatwald – die aber zu zerstört sind, daß sie nichts mehr abwerfen. Bei gutem Zustand würden diese 6- bis 7 000 Gulden einbringen. Die Waldfrevler von Rineck und allen anderen Orten der Umgebung sollen so arg stehlen, daß kein Baumstrauch mehr aufkommen kann. Die Gemeinde ist total verarmt und der ganze Ort mit wenigen Ausnahmen käuflich zu haben, diesem Übelstand könnten allenfalls durch den Ankauf eines Theils der Waldungen geschehen, um damit die auf den Gütern haftenden Schulden bezahlen zu können, und geschieht nichts, so ist nicht abzusehen, wieweit und wohin es diesen Ort bringen soll, da aller Credit aufgehört hat und die Ausgaben bedeutend größer als die Einnahmen sind.
Limbach:
„… ist noch zu bemerken, daß der Wald kaum Ertrag liefert, weil er durch die angrenzenden Rinecker und die Gemeindebürger selbst total ruinirt ist.“
„… Gegen Rineck, das zunächst angrenzt, liegt eine große Fläche mit gutem Boden ganz öde. Es wurde angegeben, daß dieses Feld nicht eingebaut wurde, weil es den Diebereyen der Rinecker gänzlich Preiß gegeben wäre, die nicht selten mit bewaffneter Hand, auf Diebstahl auszogen“
Die Not war so groß, daß geraten wurde:
„ . . . als daß die Bewohner größtbentheils nach Amerika auswandern sollten, wozu man ihnen die Hand bieten solle.“
Heidersbach:
„… daß der Ort wohlhabend gewesen sein soll. Die ganze Gemarkung ist feil und es dürften hier nicht allein schöne, sondern auch wohlfeile Güter m aqiriren seyn. Die ganze Gemeinde hat Lust nach Amerika auszuwandern, wenn sie ihre Güter verkaufen und die Mittel und die Mittel zur Auswanderung bekommen könnte.
Über unser Heimatdorf selbst schrieb Metzger:
„Die Gemeinde zählt 233 Seelen und 36 Bürger, die alle vom Feldbau leben.
Der Viehbestand besteht aus 111 Stück Großvieh und zwar 1 Faßl, 10 Ochsen, 84 Kühen, 16Pferden und 98 Stück Jungvieh. Ferner 30 Schweine und 150 Stück Schafe.
Die Gemarkung umfaßt 295 Morgen Ackerland, 157 Morgen Wiesen, hälftig Wässerwiesen und Heumatten, 412 Morgen Wald.
Von diesem Areal besitzt die Gemeinde 203 Morgen Gemeindewald, 1 Morgen Gemeindefeld.
Die weiteren 660 Morgen sind Privateigentum und unter 33 Bürgern folgender Art verteilt:
6 Bürger 50-60 Morgen = 330 Morgen
14 Bürger 10-20 Morgen = 220 Morgen
13 Bürger 5-10 Morgen = 110 Morgen
7 Bürger sind besitzlos und leben vom Tagelohn, wozu jedoch nur teilweise auf dem nahegelegenen Glashof Gelegenheit besteht.
16 Bürger sind Leibgedingsbesitzer, die ihre Güter an die obigen Besitzer übergeben oder verkauft und sich dagegen wertungsmäßige Renten in Naturalien und Wohnsitz ausbedungen haben.
In der Gemarkung ist die Dreifelderwirtschaft mit gebauter Brache bis auf 21 Morgen reiner Brache eingeführt.
Die Anbauung der Felder geschieht mit nachstehenden Produkten, die den beigesetzten Ertrag nach den Mosbacher mittels Marktpreisen in abgerundeter Form, welche bei der Zehtablösung maßgebend waren, abwerfen als:
Metzger stellte nun Ausgaben und Einnahmen gegenüber und kam zu dem Schluß, daß ein Defizit von 1523 Gulden und 32 Kreuzern zu Buche stünde.
Einnahmen 1847
Anbaufläche | Fruchtart | Ertrag | abzüglich Saatgut | bleibt | Wert | Bemerkung |
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60 Morgen | Korn | 180 Malter | 60 Malter | 120 Malter | wird vollständig konsumiert |
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38 Morgen | Spelz | 152 Malter | 38 Malter | 114 Malter | wird vollständig konsumiert |
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15 Morgen | Heidekorn | 43 Malter | 3 Malter | 40 Malter | wird vollständig konsumiert |
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90 Morgen | Hafer | 450 Malter | 90 Malter | 360 Malter | 1080 fl | |
35 Morgen | Kartoffeln | 700 Malter | 4 Malter | 696 Malter | werden vollständig konsumiert |
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10 Morgen | Kraut und Wurzeln | werden vollständig konsumiert |
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6 Morgen | Hanf | wird im Haushalt verarbeitet |
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78,5 Morgen | Wässerwiesen | Öhmd u. Heu 2355 Zentner | 376 fl | Milch u. Vieherlös (umgelegt) | ||
78,5 Morgen | Heumatten | Öhmd u. Heu 628 Zentner | wird vollständig verfüttert | |||
20 Morgen | Klee | 400 Zentner | wird vollständig verfüttert |
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Zusammen: | 1456 fl | |||||
Weil die Frucht zur Ernährung nicht ausreichte, mußte außerorts angekauft werden | -492 fl | |||||
Bleibt für Einnahmen: | 962 fl |
Ausgaben und Soziallasten
Empfänger | Art der Schuld | Betrag | Zusammen | |
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Staat | Grund- und Häusersteuer | 186 fl 9 kr | ||
Staat | Gewerbesteuer | 135 fl 4 kr | ||
Staat | Brandkassensteuer | 44 fl 44 kr | 366 Gulden | |
Standesherrschaft | Zehntablöse | 180 fl 54 kr | ||
Standesherrschaft | Grundzins | 35 fl | 215 Gulden 54 kr | |
Gemeinde | Vorausbeitrag | 138 fl 56 kr | ||
Gemeinde | Umlage | 409 fl 41 kr | ||
Gemeinde | Schulhausbauumlage | 15 fl 42 kr | 564 Gulden 19 kr | |
Schweinehirt | Hutabgabe (10 Malter Frucht) | 49 fl 30 kr | ||
Schäfer | Hutabgabe | 49 fl 30 kr | ||
Lehrer in Waldhausen | 2 Malter Korn, 1 Malter Hafer und 2 Gulden | 13 fl 24 kr | ||
Lehrer in Limbach | 1 Malter 2 Sester Hafer | 4 fl 12 kr | ||
Waldhüter | Lohn | 16 fl | ||
? | Fuhrleistungen beim Wegbau | 150 fl | ||
Lehrer | Schulgeld für 57 Kinder | 45 fl 36 kr | ||
Berechtigte | Leibgedinge (16 Güter ä 60 Gulden) | 960 fl | ||
Bürger | Nachtwachengeld | 36 fl | ||
Ausgaben: | 2485 fl 32 kr | |||
Einnahmen: | 962 fl | |||
bleibt ein Defizit von: | 1523 fl 32 kr |
„Nimmt man nun weiter an, daß die Bürger sehr verschuldet sind und berechnet man zu diesem Defizit noch die jährlichen Kapitalzinsen, so liegt es auf der Hand, daß dieser Ort gänzlich zugrunde gehen muß, da derselbe keine anderen Ernährungsquellen hat als den Taglohn, den einzelne Taglöhner auf dem nahegelegenen Glashof im Sommer verdienen.
Die Gemarkung hat eine für den Feldbau günstige Lage, der Boden ist meist fruchtbar, die Felder eben und sehr gut zu bauen. Alle Fruchtgattungen, Kartoffeln, Dickrüben, Hanf und Kraut gedeihen sehr gut. Es fehlt daher dieser Gemarkung nur besserer Bau und gute Düngung; allein hierzu fehlt der Betriebs-Fond, der nicht so leicht zu ersetzen ist, da die Ortsbewohner durch Überschuldung zu weit heruntergekommen sind.
Auf den Wiesen übt das Wasser nicht die gehörige Befruchtung aus, weil dasselbe von Langenelz und Scheidental herunterkommt, wo dasselbe in den Wiesengründen stehen bleibt, das Eisenoxyd daselbst auflöst, mit sich fortführt und dadurch nicht so fruchtbar wirkt als das reine Quellwasser, das direkt aus dem Boden heraussprudelt.
Der Viehbestand für diese Gemarkung wäre stark genug, um die Felder in besserem Stande zu setzen, allein durch den Austrieb des Viehs wird der Dünger verschleudert und durch Mangel an Stroh zur Streu zu wenig erzeugt; auch wird der Dung zu liderlich behandelt und gar keine Sorgfalt darauf verwendet.
Dies hat zur Folge, daß der Dung ausbrennt, die Jauche auf die Straße fließt und so die besten Kräfte zugrunde gehen.
Jedoch gehen seit kurzem 3 Pfuhlfässer und es wird hier und da Erde in den Dünger gestreut, was dem nahegelegenen Glashof entnommen wurde und einigen Nutzen bringen wird.
Der Viehstand ist sehr klein und abgemagert, was man der schlechten Ernährung und Behandlung, hauptsächlich aber von der schlechten Faßelhaltung herrührt. Der Faßel wird von der Gemeinde zu niederstem Preis gekauft und dem Faßelhalter jährlich 30 Gulden gegeben, um welchen Preis kein ordentlicher Faßel ernährt werden kann.
Der Obstbaum gedeiht hier vortrefflich, allein die alten Bäume werden schlecht behandelt und für das Pflanzen junger Bäume wird nichts getan.
Die Gemeinde kann sich ohne besondere Hilfe nicht länger behaupten, sondern muß sich allmählich auflösen. Verkauf der 412 Morgen Privatwaldungen an den Staat, Unterstützung von Auswanderungen verarmter Bewohner, Beschäftigung durch Waldkultur und die Einführung eines besseren Faßelochsen sowie bessere Unterhaltung desselben möchten die einzigen Hilfsmittel sein, die anzuwenden wären!
Weiter rügte Metzger den weiten Kirchenweg (1-2 Stunden), die dadurch verlorene Zeit und den sich daran anschließenden Gaststättenbesuch, ebenfalls den Gang zu den Viehmärkten.
„Ein ähnliches Bewandtniß hat es mit dem Mudauer Viehmarkt, der wohl seinen großen Wert hat, allein, durch die fast wöchentliche Abhaltung desselben und es gibt ihm auch noch Gelegenheit zum Besuch der Wirtshäuser, und führt ihn zu Ausgaben, die er nicht ertragen kann. Es lebt mancher Bauer im Odenwalde in Armut, der sein V ermögen lediglich durch den Besuch solcher Märkte, Kirchen und Wirtshäuser, sowie auch durch Prozeßführung, die sich gewöhnlich dazugesellt, vergeudet hat.“
Die Hofübernahme
Um den „Wohlstand“ der Familien zu erhalten, war die Unteilbarkeit der Güter eingeführt, d. h. das Gut wurde dem ältesten Sohn übergeben. Mit den Geschwistern wurde eine Abfindung getroffen, wonach diese nur wenig Vermögen erhielten und oft fortan dem Gesindehaushalt des neuen Besitzers zugeteilt wurden.
Die Eltern indes beanspruchten Leibgeding, welches in Geld oder Naturalien bezahlt wurde. Oft waren diese höher als der Pachtzins für Ackerland. Es gab Bauern, die das Leibgeding bereits ab dem 42. Lebensjahr beanspruchten!
Auch die Zehntablösung, die ab 1847 nicht mehr in Naturalien sondern in Geld bezahlt werden mußten, brachte die Bauern in erhebliche Schwierigkeiten.
Waren früher die Abgaben an die Ernteerträge geknüpft, trugen nun die Bauern allein das Risiko, da der Abgabebetrag festgesetzt war. So mußten sie einen Teil der Ernte verkaufen und zusätzlich Geld leihen.
Jetzt witterten geschäftstüchtige Handelsleute ihr Geschäft. Diese hatten auch schon früher bei den Scheringer Bauern Vieh und Fleisch zu Niedrigstpreisen gekauft.
Bar und ohne Komplikationen zahlten sie und halfen so den Bauern zunächst aus ihrer ärgsten Not.
In den Viehverkaufsprotokollen von 1812-26 sind diese „ehrlichen Handel“ genauestens festgehalten.
In der Agrarrevolte von 1848 entlud sich dann der Zorn der Bauern gegen die Obrigkeit.
Die Agrarrevolte 1848
Der Sturm des Julikönigtums in Frankreich brachte auch in Deutschland alles in Bewegung. Jetzt sahen die Bauern die Zeit gekommen, die alten Feudallasten abzuschütteln. Über den Kraichgau und das Bauland griffen die Unruhen auch auf den Odenwald über. Unüberwindbares Mißtrauen und tiefer Groll hatte sich im Laufe der Jahre im Volke festgesetzt und trieb es nun in die Revolte gegen die Obrigkeit und Juden.
Revolutionäre Flugblätter gegen Adel, Juden und Beamte, die erklärten Urheber ihres Übels kamen in Umlauf. In Mudau war der Kern der Erhebung in unserem Raum. Hier fand das Aufgebot und die Anleitung der Unzufriedenen statt. Der Mudauer Gemeinderat rief durch Boten die ganze Gegend zum Zug gegen den Fürsten nach Amorbach. Mit allerlei Drohungen wurde dieser „Einladung“ Nachdruck verliehen. Gemeinden, die zu feige oder zu schlapp waren, wollte man niederbrennen. Am 10. März versammelten sich Tausende in Mudau, um mit Heugabeln, Prügeln, Sensen, Gewehren und Äxten bewaffnet, nach Amorbach zu ziehen. Tags zuvor hatten die Mudauer schon Fruchtspeicher und Rentamt zu Ernsttal geplündert und alle Akten verbrannt. Gestärkt und mutig wälzte sich der Bauernhaufen Amorbach zu. Das Städtchen war in großer Furcht. Die Bürgerwehr rüstete zum Kampf.
Die Bauern schickten jedoch nur die Schultheißen der Dörfer in die Stadt, um ihre Forderungen vorzubringen. Hauptsächlich forderten sie die Aufhebung des Forstgesetzes und den Erlaß aller Forderungen der Standesherrschaft an die Gemeinden.
Der Vertreter des Fürsten, der sagte ihnen dies angesichts der permanenten Bedrohung zu.
Mit der Verzichtsurkunde zogen sie in ihre badische Heimat zurück. Danach zog das Militär auf. Zahlreiche Verhaftungen folgten. Dies trug nicht zur Beruhigung der Bevölkerung bei. Wo sich das im übrigen von der Bevölkerung zu verpflegende Militär sehen ließ, steigerte sich der Groll. Fühlten sich die Bauern aber vor ihm sicher, zogen sie in die Wälder, um zu wildern und zu rauben. Rentbeamte und Juden lebten weiter in Furcht.
Mit der Verkündigung des Gesetzes vom 10. April 1848 über die Aufhebung der noch nicht abgelösten Feudallasten hatten die Bauern ihre Ziele zumindest teilweise erreicht, wenn sie auch die vertraglich festgesetzten Ablösungssummen noch zu zahlen hatten.
Die Grundherrschaft hatte aber im hinteren Odenwald mit diesem Gesetz ihr Ende gefunden.
Nach Agrarrevolte und Auswanderungswelle, der zumindest offiziellen Einführung der Stallfütterung und nicht zuletzt durch die von Gartendirektor Metzger unterbreiteten Vorschläge zur Hebung der Landwirtschaft im Odenwald, sollte sich diese zumindest schrittweise erholen.
Unverkennbar wurden auch in Scheringen Anstrengungen in diese Richtung unternommen. So wurde vermutlich um diese Zeit am Bannholz (südöstliches Ende Lagerplatz Firma Fritz) ein Kalkofen errichtet, der zur Erzeugung von Düngekalk diente. Der Kalkstein wurde wohl aus Kleineicholzheim angefahren, zerkleinert und eine Schicht Holz und Kalkstein in den Ofen gesetzt und entzündet. War das Holz verbrannt, konnte der durch die Hitze porös gewordene Kalkstein entnommen und gewässert werden. Dadurch zerfiel dieser und konnte auf die Äcker ausgestreut werden.
Neben der bereits gesehenen Methode des Mischens von Pfuhl und Erde und der Düngung mit Asche, kam der Kalk dem ausgemergelten Boden sehr zugute. Zwar gab es um diese Zeit auch anderen Dung, doch konnten die Bauern sich diesen nicht leisten.
Die Kalkdüngung hielt bis 1954 an und der Kalk wurde ab 1906 von dem im ganzen Odenwald bekannten ,,Kalk-Schmitt“ (Kalkbrenner) aus Großeicholzheim an die Odenwaldbauern geliefert. Dieser hatte in Kleineicholzheim einen großen, ca. 18 m hohen Kalkofen stehen. Nach vorstehendem Prinzip wurde der Kalk gebrannt und zunächst ungelöscht (Steinbrocken) und später gelöscht in Säcken von den Odenwälder Bauern mit Pferdefuhrwerken dort abgeholt. So traf sich der „halbe“ Odenwald in Großeicholzheim im Engel, denn „die Odenwälder Pferde liefen nicht am Engel vorbei.“
Ebenso wurde in Scheringen um diese Zeit eine Musterobstbaumanlage bepflanzt, mit der es im Laufe der Jahre aber zusehends abwärts ging.
„In ganz trostlosem Zustand befindet sich Musterobstbaumanlage, der für die Pflanzung zur Zeit ausgesuchte Platz ist der denkbar ungünstigste. Zu einer Fortführung der Pflanzung kann daselbst nicht geraten werden. Die Anpflanzung der Kirschbäume sollte fortgesetzt werden.“
Doch man verlor die Obstbaumkultur nie ganz aus den Augen. So wurde im 20. Jahrhundert nach geeigneten Obstsorten gesucht, Zweigkurse abgehalten, Baumspritzen angeschafft und Gemeindebeauftragte begingen regelmäßig die Gemarkung, um kranke und überalterte Bäume zu kennzeichnen. Die Fällung dieser Bäume wurde ihren Besitzern daraufhin zur Auflage gemacht. Doch nach vielen Unstimmigkeiten diesbezüglich verlief die Sache später im Sande.
Landwirtschaftliche Besprechungen wurden fortan abgehalten, der Klee-und Futterbau vermehrt betrieben (1847 war 1/15 der Gesamtackerfläche mit Klee und 1/9 mit Kartoffeln bebaut), die Farrenhaltung sollte verbessert werden und die Wiesenwässerung wieder mehr Gewicht erhalten.
Doch Armut, konservative Haltung der Bauern und der Gemeinde, Witterungseinflüsse und Zwistigkeiten unter der Bevölkerung verhinderten dies kontinuierlich.
„Keiner gönnt dem anderen das Wasser.“Diese Bemerkung des Bezirksrat Fichtel aus einer Ortsbereisung war zwar auf die Wiesenwässerung gemünzt, hätte aber auch das dörfliche Leben in weiten Bereichen treffend beschrieben. So gab es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, wenn es um die Errichtung von Gemeinschaftsanlagen wie Milchsammelstelle, Viehwaage oder Wasserleitungsbau ging. Auch nachdem den Unterscheringern mit der Eröffnung des „Goldenen Adlers“ einem langgehegten Wunsch durch das Bezirksamt entsprochen wurde, trat nicht, wie erhofft, eine Besserung dieses Mißstandes ein.
Nach langem Hin und Her über den Standort der Viehwaage, zur Debatte stand ein Anbau am Schulhaus oder die Schmiede in Oberscheringen, entschlossen sich die Oberscheringer Bauern, diese auf eigene Kosten auf dem Anwesen Schöllig zu erbauen. Die Milch wurde sogar bis 1956 getrennt gesammelt.
Ähnlich verhielt es sich um die Jahrhundertwende mit der Wiesenwässerung.
Neben den Wässeranlagen im Elztal und in der Brunnenwiese waren auch alte Wässereinrichtungen gegen Waldhausen vorhanden. Doch das engstirnige Denken Einzelner verhinderte zunächst die Wiederinstandsetzung. Noch 1847, als diese Wiesen bewässert wurden, lieferten sie fast den 4fachen Ertrag. So war es unumgänglich, daß Streunutzung und Waldweide wieder vermehrt betrieben werden mußten. 1899 mußte sogar ein Großteil des Viehs wegen Futtermangel geschlachtet werden.
Die Futternot zieht sich wie ein roter Faden durch die Akten, noch 1948 sollte in Seheringen wegen Futtermangel die Schweineallmendweide wieder eingeführt werden.
„Man hat sich heute mit dem Gemeinderat in das Wiesengelände abwärts im Elztal begeben, wo einige Wiesenbesitzer die Beseitigung der Mängel der Bewässerungsanlagen wünschen. Das Tal war, nach den noch bestehenden Gräben und Wehrtürmen zu schließen, früher mit einer Wässeranlage versehen. In seinem unteren Teil bildet der Mühlkanal der sogenannten Baumannsmühle den Wässerkanal. Die Baumannsmühle ist ein zerfallenes Anwesen, dessen Wasserwerk schon längst nicht mehr in Betrieb ist. Das Gebäude dient einer eigensinnigen Frauensperson, Rosalia Fischer, zur Wohnung. Sowohl der etwa 100 m lange Zuleitungskanal, dessen grundbuchmäßige Eigentümerin die Fischer sein soll, ist zerfallen, als auch das Mühlwerk, sodaß weder die oberhalb noch unterhalb gelegenen Wiesen bewässert werden können. Die Wässerungsberechtigung ist nachweisbar, der Schaden klein und unerheblich. Nur durch Bildung einer Wässergenossenschaft kann hier Abhilfe geschaffen werden. Einige Wiesenbesitzer scheinen jetzt nicht mehr abgeneigt zu sein, die Kosten der Vorerhebung mit etwa 100 Mark zu tragen.“(Ortsbereisung 1892).
1894 stand dann die Baumannsmühle zum Verkauf, doch die Gemeinde konnte sich hierzu nicht entschließen, auch wurde es nichts mit der Wässergenossenschaft.
„Alle V ersuche, einen Antrag auf Gründung einer Wässergenossenschaft herbeizuführen, sind gescheitert und für absehbare Zeit aussichtslos.“(Ortsbereisung 1894).
Wie wichtig die Wiesenwässerung war, kann man der Statistik von 1847 entnehmen. Zwar wurde jetzt schon Thomasmehl vom landwirtschaftlichen Bezirksverein bezogen, doch wurden vornehmlich die Äcker damit gedüngt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Haupt-, Spitz-und Nebengräben der Wässerungsanlagen dann wieder gereinigt. Zunächst waren die Wässerzeiten für das ganze Elztal geregelt, worüber Wasserknechte die Aufsicht führten. Sie hatten über die Wässerzeiten, auch unter Berücksichtigung der Wasserzuläufe für die Mühlen, zu wachen.
In Scheringen wurde bis ca. 1954 gewässert:
So hatte z. B. die Familie Schöllig 1954 von dienstags 18 Uhr bis mittwochs 6 Uhr und freitags 6 bis 18 Uhr das Wasserrecht in der Brunnenwiese. Nach der Berechtigungszeit wurde das Wasser dem nächsten Berechtigten zugeleitet. Da sich die finanzielle Lage der Landwirte nun erholte, konnte vermehrt Dung bezogen werden. Dadurch verlor die Wiesenwässerung ihre Bedeutung.
Der landwirtschaftliche Bezirksverein
Dieser war von eminenter Bedeutung für die Bauern. Über ihn wurden größere Mengen Dung und Futtermittel zu günstigen Konditionen bezogen. Der Verkaufspreis für das bislang verfütterte Getreide war nun höher als der Einkaufspreis für Futtermittel. Auch die Viehzucht erhielt durch Einfuhr von Simmenthaler Zuchtvieh über den Verein neue Impulse. Der Verein verlieh Dungstreuer und andere landwirtschaftliche Geräte und stand jedem Mitglied mit Rat und Tat zur Seite. Auch der Absatz der Ernteerträge über das Lagerhaus war geregelt.
In den Angebotsblättern des Vereins finden sich für uns exotisch anmutende Produkte wie Erdnußkuchen, Mohnkuchen, Baumwollsaatmehl und als Kraftfutter Fleischmehl. Bedingt wurden diese Futtermittel auch in Scheringen über den inzwischen gegründeten Bauernverein bezogen.
Erste Fortschritte sind zu erkennen
Im Jahr 1906 wurde dann der Mangel an landwirtschaftlichen Dienstboten beklagt. Auch der Ackerbau liegt im Argen. Es fiel keinem Landwirt ein, das Unkraut, in der Hauptsache Hedderich und Disteln, auszujäten. Um diesem Mißstand zu begegnen, wurde eine Bürgermeisterliche Anordnung erlassen und bei Nichtbeachtung mit Strafe gedroht. Auch Handwerker waren inzwischen wieder im Dorf
„Erwähnt mag noch werden, daß neben den überwiegend großen Bauern auch einige Landwirte, Maurer, Schmied und Wagner in der Gemeinde ansässig sind, welche neben ihrem Geschäft kleine Landwirtschaft betreiben. Diese Handwerker sind recht ruhig, arbeiten auch viel in den Nachbargemeinden ums Leben. Die Gemeinde hat den Beschluß gefaßt, eine gewerbliche Fortbildungsschule zu errichten. Mit diesem Beschluß wurde es aber nichts, nachdem schon die erste Orientierung des Amtes ergeben hatte, daß außer ein paar Streubauern überhaupt kein Stamm gewerblicher Arbeiter vorhanden war und der ganze Ort nur einen Lehrling zählt. Dazu kam, daß in dem nahegelegenen Limbach schon damals Verhandlungen wegen Errichtung einer solchen Schule gepflogen wurden, die inzwischen zu deren Einrichtung geführt haben. Die Arbeiter von Scheringen bekunden dies.
Man hat heute empfohlen, den vom landwirtschaftlichen Verein angeschafften Düngestreuer einmal zur Probe zu verwenden und ebenso mit der Hedderichspritze des Vereins einen Versuch zur Bekämpfung des Hedderichs und der Disteln zu machen.
Es wird weiterhin angeführt, der Spelz habe im letzten Jahr außerordentlich unter Brand zu leiden gehabt, trotzdem wolle niemand etwas dagegen tun, weil die Landwirte die Mühe scheuen.
Künstlicher Dünger wird durch Vermittlung des Bauernvereins viel bezogen. Ödung ist nur eine vorhanden, welche als Schweinetrieb genutzt wird.
Im Fruchtbau ist eine Änderung nicht eingetreten, eher das Grünkernbereitung und Gerstenbau eine weitere Abnahme gefunden haben. Beklagt wird, daß sich die Landwirte so schwer dazu entschließen, einen Saatwechsel vorzunehmen und wird darum gebeten, daß im Laufe des Jahres in Scheringen oder besser noch in Waldhausen ein landwirtschaftlicher Vortrag über dieses Thema stattfinden solle. Die Ernte ergab für Korn ein gutes, für Gerste ein schlechtes Resultat, Heu war gut, Öhmd wegen der großen Trockenheit schlecht ausgefallen. Von Futtermangel kann trotzdem keine Rede sein. Der Absatz des Getreides erfolgt ausschließlich an jüdische Händler, die bar und ferner denselben Preis wie vom Lagerhaus bezahlen. So kommt auch den Nichtmitgliedern ein erfreulicher Preis zugute. Viehzucht kommt in der Gemeinde nicht recht vorwärts, weil beim Ankauf der Farren zu große Sparsamkeit waltet. Dennoch ist die Farrenhaltung, welche vom Bürgermeister gegen ein Entgelt von 525 Gulden jährlich für 2 Farren bezahlt wird, nicht schlecht. Die Fütterung ist eine Gute. Aber um wirklich Zuchttiere zu gewinnen, bedarf es noch anderer Vatertiere und zuweilen auch Einführung weiblicher Zuchttiere aus den oberbadischen Zuchtgebieten. So wird jetzt nur Schlacht oder Mastvieh produziert und weniger auf dem Markt, als an jüdische Händler und Metzger verkauft, die zum Ankauf in den Ort kommen. Die Preise sind hoch.
Das Bestreben des Bürgermeisters, eine Viehwaage anzuschaffen, fand zwar die Zustimmung der gestern versammelten Gemeinde. Bei dem Gegensatz zwischen Unter-und Oberscheringen konnte man sich über den Platz der Aufstellung nicht einigen und so fiel der Antrag nach wenigen Stimmen durch.
Weiter voran ist die Gemeinde in der Schweinezucht. Die fünfzig vorhandenen Mutterschweine haben im abgelaufenen Jahr reichlichen Gewinn in den Ort gebracht. Andauernd halten sich die Schweinepreise in der Höh. Während früher der Absatz auf dem Buchener Schweinemarkt erfolgte, kann sich der Landwirt jetzt die Mühe ersparen dahin zu fahren, denn von allen Seiten kommen Leute, nicht nur Händler, sondern auch Landwirte namentlich aus dem Bauland in den Ort, um Jungferkel und Läufer zu kaufen. Die Stückpreise für ein paar Ferkel betragen 36 Gulden, für Läufer 70 Gulden. Die Eber sind aus guter Züchtung. Auch diese hat der Bürgermeister in Pflege.
Ziegen sind nur wenige vorhanden. Die Besitzer erhalten pro Stück 50 Pfg. aus der Gemeindekasse als Entschädigung für die in Limbach erhobene Sprunggebühr und den dahin zurückgelegten Weg.
Die Gemeinde tut also mehr als wozu sie verpflichtet ist. Der Zustand der Feldwege ist zufriedenstellend und wird bei Bedarf an einheimische Unternehmer vergeben.“
Die Brunnen
Vor dem Bau der Wasserleitung 1927 waren die Brunnen und Quellen die einzige Möglichkeit, Trinkwasser zu holen. Von der ganzen Bevölkerung wurden diese stark frequentiert. Deshalb war der Zustand der Brunnen und des Wassers für die Gesundheit von Mensch und Tier äußerst wichtig. So wurden sie auch bei Ortsbereisungen besichtigt und ggf. bemängelt.
„Während Unterscheringen zwei öffentliche Brunnen, einen laufenden und einen Pumpbrunnen besitzt, hat das Oberdorf nur den einen laufenden Brunnen, der sich zudem am unteren Ende des Oberdorfs befindet. Dieser Brunnen laufe bei zunehmendem Wasser nicht nur trübe, er habe auch stinkendes Wasser, das nicht einmal das Vieh trinken, geschweige denn der Mensch genießen könne. Die Anträge der Beschwerdeführer gehen, zumal Anträge auf gründliche Untersuchung und Aushebung der Brunnenstube und der Einfriedung des Brunnens, sowie wenn nötig Ersatz der Deuchel (Zuleitungsrohre aus Holz) vorliegen. Weiter wird darauf hingewiesen, daß in der Küche auf dem Anwesen des Gemeinderat Schöllig eine gute und starke Quelle entspringe, die in einen weiter zu erstellenden Brunnen geleitet werden könne. Einige Beschwerdeführer halten auch denselben Ausweg nicht für genügend und wünschen einen Pumpbrunnen.
Gegenüber diesen letzten beiden Wünschen wird aber von dem im Oberdorf wohnenden Gemeinderat aufgliedernd betont, es sei das einzig Richtige, eine allgemeine Wasserversorgung in der Weise einzurichten, daß die im Elztal entspringende starke Quelle mit Hilfe eines Pumpwerks, gehoben werde. Die Anschaffung hierfür kommt der gesamten Gemeinde zugute. Es kann nur konstatiert werden, daß der Gemeinde eine allgemeine Wasserversorgung mit Hausleitungen für das ganze Ort errichtet wird. (Ortsbereisung 1906)
Neben dem schwachen Aufwärtstrend in der Vieh-und Schweinezucht verbesserte sich in den Folgejahren auch der Anbau des Herbstfutters und der Bezug von Futtermitteln. So konnten die Viehbestände über die Winter gebracht werden, was bisher nicht unbedingt selbstverständlich war. Hinzu kamen noch Förderungen durch das Großherzogliche Bezirksamt. Futtermittelrechnungen wurden bis zu einem Jahr gestundet und den Kleinstlandwirten wurde finanziell unter die Arme gegriffen. In diese Zeit des doch absehbaren Aufschwungs kam dann der Erste Weltkrieg und seine vielschichtigen Probleme auch für die Landwirtschaft. Große Not brachten die Kriegsjahre von 1914-18 über die Bevölkerung. Die Gemeindeakten dieser Zeit beinhalten zahlreiche Gesetze und Bestimmungen, um die Versorgung der Gesamtbevölkerung und der Armee zu gewährleisten. Außer Frage, daß die Versorgung zum größten Teil aus der Landwirtschaft kommen mußte. Jede Gemeinde wurde zu bezahlten Zwangsabgaben verpflichtet, wo nötig wurde auch enteignet. Nahezu alle Nahrungsmittel wurden rationiert und die Bevölkerung in Selbstversorger und Versorgungsberechtigte aufgeteilt. Versorgungstabeilen wurden erstellt und Überhänge mußten abgeliefert werden. Grundsätzlich waren alle Nahrungsmittel „bewirtschaftet“. Neben Fleisch und Milch waren dies Brot, Kartoffeln, Ölfrüchte, Zucker, Honig, Eier und selbst Obst und Beerenfrüchte. Obst und Beerenfrüchte mußten an die staatlichen Obstmusfabriken abgeführt werden. Sogar Obstkerne wurden gesammelt und zusammen mit den Ölfrüchten (Raps, Hederich, Sonnenblumen, Senf, Mohn, Lein und Hanf) gepreßt. Der Verkehr mit den Lebensmitteln war genau in der Reichsverordnung festgelegt. Selbst das Verschicken an Verwandte war genehmigungspflichtig. Nur was für den festgesetzten Eigenbedarf genehmigt wurde, blieb dem Erzeuger. Im folgenden soll auf die Fleisch-und Milchwirtschaft, als bedeutende Produktionsfaktoren der Landwirtschaft, näher eingegangen werden.
Die Fleischversorgung
Im 1. Weltkrieg konnte keine Schlachtung und kein Viehverkauf ohne Genehmigung durchgeführt werden. Fleisch aus Notschlachtungen ging in der Regel an die Gemeinde. Da um diese Zeit kein Metzger in Scheringen ansässig war, wurden die Schlachtungen für Waldhausen, Einbach, Heidersbach und Scheringen in Waldhausen durchgeführt. Gegen Vorlage der Bezugsscheine konnte Fleisch von den Versorgungsberechtigten jeweils für 2 Tage dort abgeholt werden. Dienstags und freitags durfte kein Fleisch gegessen werden. Die Metzger mußten Buch führen und wurden streng kontrolliert. Die Bezugsscheingröße richtete sich nach Anzahl und Alter der Familienmitglieder. Beispiel:Eine Familie zählte 11 Köpfe, darunter 6 Personen über 6 Jahre (sie hatten vollen Anspruch), 3 Kinder von 2-6 Jahren und 2 Kinder unter 2 Jahren (kein Anspruch). Das waren dann 7,5 anzurechnende Personen, also 7,5 Fleischkarten a 3200 g – 48 Pfd. pro Monat. Hatte die Familie Vorräte, wurde die Zuteilung entsprechend geschmälert. Für Selbstversorger galten ähnliche Bestimmungen.
Kein Wunder, daß sie sich nicht immer loyal verhielten, hatten sie meist 10 oder mehr Personen in ihrem Haushalt zu versorgen. Doch es war nicht einfach, sogenanntes „Schwarzvieh“ zu halten, denn die Gendarmerie kontrollierte schärfstens.
Mit Dauer des Krieges nahm durch die Futtermittelknappheit und die Zwangsabgaben der Viehbestand und dessen Qualität stetig ab (allein Scheringen mußte in dem kurzem Zeitraum vom 1. Mai – 31. Juli 1918 15 Rinder, 7 Kälber und 3 Schweine abgeben) und schließlich mußten sogar die Zuchttiere geschlachtet werden. Als Folge fehlten auch Milch und Butter.
Die Milchwirtschaft
Kein Nahrungsmittel ist so vielseitig verwendbar wie die Milch. Was heute an Milchprodukten In den Regalen steht, ist immens. Auch für unsere Vorfahren spielte die Milch auf ihrem Speiseplan eine dominante Rolle.
Not macht erfinderisch
Viele fast vergessene Milchspeisen stellten selbst noch unsere Eltern her. Stellvertretend seien hier Milchsuppe, Semmete mit Milch, Klumbe, Brotsuppe, Kochkäse, Butter, Milchspätzle und Sauermilch genannt.
Die Variationen aus Milch waren so vielfältig, daß fast jeden Tag „etwas anderes auf dem Tisch stand“, und das bei 3 Mahlzeiten. Nach Aussagen älterer Mitbürger gab es von Familie zu Familie die unterschiedlichsten Rezepte. Besonders für Frauen und Kinder waren Milchspeisen hauptsächlich, da Fleisch meist den „schwerarbeitenden“ Männern vorbehalten war. Oft kam gar nur eine Schüssel auf den Tisch, woraus dann die ganze Familie aß. In vielen Haushalten war diese Schüssel im Tisch eingelassen.
Der Verkauf der Milch
Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts begannen die Bauern einen Teil ihrer Milch zu verkaufen (17-20 Pfg. pro Liter).
Scheringen lieferte ab den 20er Jahren seine Milch an die Milchzentrale in Mannheim. In einem Vertrag verpflichteten sich die Bauern, alle Milch, die nicht zum Eigenbedarf benötigt wurde, abzuliefern. Die nötigen Transportbehälter (Eimer und Kannen) wurden von der Milchzentrale gestellt. Den Transport, meistens zur Bahn nach Großeicholzheim, übernahmen Beauftragte der Erzeuger. Den Weitertransport dann die Zentrale. Hervorgegangen war der Vertrag aus den Milchlieferungen während der Kriegsjahre nach Mannheim.
So standen z. B. am 26. Februar 1918 in Scheringer Ställen 99 Milchkühe, welche zusammen 260 Liter Milch gaben (durchschnittlich 2,6 Liter pro Tag – heute ca. das 10fache), davon mußten 150 l nach Mannheim geliefert werden, 71 gingen an Versorgungsberechtigte innerhalb der Gemeinde. Blieben für 41 Landwirtsfamilien täglich 103 l Milch!
Doch zurück zu den Lieferungen an die Milchzentrale.
Immer wieder ist nachzulesen, daß verunreinigte Milch abgeliefert wurde. Durch das Milchgesetz von 1930 und das Milch- und Fettgesetz 1951 (Ablieferung an Sammelstellen und Zentralen) sollte diesem Mißstand ein Riegel vorgeschoben werden.
Im Jahre 1933 wurde in Oberscheringen eine neue Milchsammelstelle errichtet (Nähe Anwesen Karges). Die Milch selbst wurde mit dem Wasser des danebenliegenden Brunnens gekühlt. Die Milch der Unterscheringer Bauern wurde zu dieser Zeit im Schulhaus gekühlt. Fortan wurden Milchsammler und Händler geschult und untersucht. Auch wurden regelmäßig Milchproben bei den Bauern und in den Sammelstellen genommen. Teilweise war der Ab-Stall-Verkauf verboten (Maul-und Klauenseuche, Tuberkulose). Im Jahre 1956 wurde dann das Milchhäusle in der Dorfmitte errichtet. Dieses erhielt 1964 auch eine Kühlanlage. Anfang Februar dieses Jahres wurde die Sammelstelle jedoch geschlossen. Alle Landwirte, die kein Kühlhausin ihren Betrieben errichtet haben, müssen die Milch in fahrbaren Kühlwagen zu Sammelstellen bringen. Dort wird dann direkt in die Tankwagen abgepumpt. Mit der Schließung des Milchhäuschensging ein weiterer Treffpunkt und Kommunikationsort verloren.
Ein Stück Dorfgeschichte ist zu Ende
Am 5. Februar 1990 wurde das Milchhäuschen geschlossen. Besonderer Dank galt Frau Leontine Henn (1. Reihe, 2. v. links), die über 20 Jahre lang gewissenhaft die Milch sammelte.
1920 gab es in Scheringen zwei Milchsammelstellen, die eine im Haus von Philipp Scheuermann, die andere im Haus Holzschuh. 1933 wurde die genossenschaftliche Erfassung durch einen Erlaß des Reichsnährstandes verkündet, und in Oberscheringen errichtete der Bürger Dietz ein einfaches, aus Holz zusammengefügtes Häuschen mit einem Betonbecken, das die Kannen aufnehmen sollte. Im Unterdorf wurden die Kannen vom Brunnen auf dem Anwesen Valentin Scheuermann gekühlt. Ab 1933, so Valentin Eichhorn, wurde die Waschküche des Schulhauses zur Milchkühlung genutzt, doch immer schärfere Vorschriften machten den Bau eines eigenen Milchhäuschens erforderlich. Es mußte eher daran gedacht werden, ein zweites Milchhaus zu bauen, das jetzt geschlossen wurde. Das geschah 1956.
Valentin Eichhorn war mit der Milchwirtschaft in Scheringen eng verbunden. Er hatte die Milchverrechnung unter sich. Er erinnerte sich noch an den Verlust der Eigenständigkeit. Das war am 31. Dezember 1970, als man sich der damaligen EVG Mudau anschloß. Bis zum Jahre 1984 zahlte Valentin Eichhorn das Milchgeld aus. Auch nannte er noch die Milchsammlerinnen, es waren Anna Scheurig, Anna Dietz, Agnes Fischer, Rosa Henn, Edith Eichhorn, Anneliese Henn und die „heute zu verabschiedende Leontine Henn“.
Das Jahrzehnt nach dem 1. Weltkrieg war geprägt von niedrigen Vieh- und Getreidepreisen und der Inflation, die viele bäuerliche Betriebe bis in die Wurzeln erschütterte.
Erst durch die Festpreise des Dritten Reiches, die vom national-sozialistischen Reichsnährstand ausgingen und durch die sogenannte Erzeugerschlacht sahen die Bauern wieder einen Silberstreif am Horizont.
„Das Dritte Reich wird ein Bauernreich sein, oder es wird nicht sein.“ Getreu diesem Ausspruch Hitlers wurden die Viehbestände erhöht und die Betriebe modernisiert. Arbeitslose wurden auch in der Landwirtschaft eingesetzt.
Unterstützt wurde die Landwirtschaft durch die theoretische Ausbildung in der landwirtschaftlichen Winterschule in Buchen. Nach Wiedereröffnung dieser waren die Landwirtssöhne Albert Holzschuh, Markus Walter, Herrmann Frank, Wilhelm Noe und Valentin Kraus (1927) als erste immatrikuliert. Eine nicht unbedeutende Rolle fiel dem Versuchsring „Odenwald“ zu. Auf Gemeindesaatgutäckern forschten einheimische Landwirte nach geeigneten Getreidearten zur Saatgutvermehrung. Erwähnenswert sicher auch die 1934 eingeführte Trichinenschau. Bei Hausschlachtungen kamen die Fleischbeschauer von auswärts.
Ab 1939 durften verendete Tiere nicht mehr wie bisher auf dem „Schinnwasen“ vergraben werden, sondern wurden von der Tierkörperbeseitigungsanstalt Hardheim abgeholt. Den Abdeckerdienst versahen davor von 1908-1917 Wilhelm Schellig (Waldhausen ), von 1917-1922 Karl Holzschuh und ab 1922 Wilhelm Biehler von hier.
Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde auch in Scheringen eines der bislang dunkelsten Kapitel in der langen Geschichte geschrieben. Arbeitskräftemangel, Abgaben an Städte und Armee sowie Futternot brachten herbe Rückschläge für die Landwirtschaft. Vornehmlich wurden die Flächen von älteren Männern, Frauen und Kindern bewirtschaftet. Größeren Bauern wurden Kriegsgefangene oder Verschleppte aus Polen, Rußland oder Belgien zugeteilt. Wie im 1. Weltkrieg waren sämtliche Güter rationiert und nur über Bezugsscheine erhältlich. Das Abgabensoll konnte oft nicht erfüllt werden, da die Abgaben nach Viehbestand und Nutzfläche errechnet wurden. Bauern, die Pferde einspannen konnten (1944 – 15 Pferde in Scheringen), hatten den Vorteil, mehr Milch zu erhalten. Oft gaben sie diese an andere ab.
Frieda Münch, Alois Link sen., ein Knecht (unbekannt) und Elisabeth Link bei der Ernte am Berg (ca. 1910).
Nach Kriegsende folgten weitere Jahre der Entbehrung. Die Einwohnerzahl stieg von 281 vor dem Krieg auf 405 danach. Viele Söhne waren im Krieg geblieben, andere kehrten erst Jahre später heim. Nahrungsmittelknappheit, Futternot, die Versorgung der Neubürger und die Abgaben an die ausgebombten Städte brachten vielschichtige Probleme mit sich. Im Jahr der Währungsreform 1948 mußte Scheringen von seinem Großviehbestand von 218 Tieren noch 27 abgeben. Die geforderte Abgabe an Stroh konnte nicht erfüllt werden.
Doch unsere Eltern und Großeltern waren Rückschläge gewohnt und begannen aus dem Vorhandenen, den 40 DM „Startgeld“und den paar Mark, welches sie für ihr Erspartes bekamen, den Neuaufbau. Viehzucht und Milchproduktion rückten weiter in den Vordergrund. Schon vor dem 2. Weltkrieg hatte die Viehzucht, nicht zuletzt durch die Einheirat von Albert Ballweg aus Hornbach in den Betrieb Throm, neue Impulse erhalten. Von ihm gezüchtetes Vieh wurde sogar in Namibia/Südafrika preisgekrönt. Ballweg bewirtschaftete 1948 mit 3 Pferden fast 16 Hektar Ackerland, 4,5 Hektar Wiesen und hielt 18 Stck. Großvieh in seinen Stallungen. Auch Alois Gramlich (13 Stck. Großvieh), Alois Albert (11 Stck. Großvieh) und Karl Kraus (10 Stck. Großvieh) hatten für diese Zeit stattliche Betriebe. Mit dem Beginn des 5. Jahrzehnts begann auch in Scheringen die unaufhaltsame Technisierung in der Landwirtschaft.
Die ersten Traktoren und Häcksler kamen in den Ort. Doch Pferde- und Kuhgespanne sollten ihre dominierende Rolle in diesem Jahrzehnt noch nicht verlieren.
Der erste Schlepper im Dorf. Beim Mähbindern – Landwirt Albert Ballweg mit Sohn Reinhold als Schlepperfahrer.
Erwähnenswert auch das erste Auto, ein Lloyd (Heckmann 1954) und der erste Fernseher von Lehrer Zimmermann, vor dem 1954 fast die gesamte Bevölkerung das WM-Endspiel Deutschland -Ungarn im Schulsaal verfolgte.
Neben den größeren Bauern gab es auch eine Anzahl kleinerer und Kleinstlandwirte, die schon jetzt in den Industriebetrieben in Limbach arbeiteten oder als Handwerker ihr Geld verdienten. Unbedingt zu nennen ist hier der Schmiedemeister Herrmann Link, der über Jahrzehnte hinweg die Pferde beschlug und die landwirtschaftlichen Geräte in Ordnung brachte. Auch die geleistete Arbeit der Eber-und Farrenhalter Alois Albert und Alois Gramlich von Mitte der 50er Jahre bis vor kurzem darf nicht vergessen werden.
Heute werden die Tiere künstlich besamt.
Schmiedemeister Hermann Link beschlägt das „letzte“ Arbeitspferd in Scheringen. Links Albrecht Rhein der Besitzer.
Mit der Technisierung begann auch die Umstrukturierung in der Landwirtschaft. Der Trend ging zum Mittelbetrieb. Arbeitskräfte wurden frei und viele Kleinlandwirte machten sich Gedanken um ihre Zukunft.
Investieren oder in die Industrie abwandern?
Viele entschieden sich für die letztere Variante. In der rasch aufstrebenden deutschen Wirtschaft war die Möglichkeit zum Geldverdienen gegeben. Krankengeld und Renten schienen gesichert, man war nicht mehr abhängig von den Launen der Natur, hatte sein geregeltes und vor allem überschaubares Einkommen. Der gewählte Weg schien ganz einfach der sicherere zu sein. Mitentscheidend für viele Landwirte war sicherlich auch der Beitritt Deutschlands zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Preise für die wesentlichen landwirtschaftlichen Produkte, insbesondere für Milch und Getreide, wurden im Rahmen der Ausgewogenheit unter den Mitgliedsstaaten diktiert. Das Verhältnis von Einkommen, Produktionskosten und Aufwand stand nicht mehr im Verhältnis. Die tätigen Landwirte wurden dadurch zur Überproduktion förmlich getrieben (Milchabnahmegarantie).
Wurden in Scheringen 1918 noch ca. 80 000 l Milch produziert, waren es 1961 ca. 220 000 Liter. Der Staat versuchte zwar 1968 im Rahmen der Getreidepreisharmonisierung die Einkommensverluste der deutschen Bauern durch Ausgleichszahlungen zu mindern, doch der Zug fuhr längst ohne die deutschen Bauern. So verlor auch Scheringen, man möchte fast sagen zwangsläufig, den Charakter eines reinen Bauerndorfes.
Karl und Amalie Scheuermann mit Tochter Elfriede bei der Feldarbeit.
1964 lebten in Seheringen 73 Familien – 318 Einwohner. 12 Bauernhöfe besaßen 12-30 ha Land, 14 kleinere Betriebe 1-12 ha. Die meisten Männer der kleineren Betriebe arbeiteten in den Papier-und Lampenschirmfabriken in Limbach und erst nach Feierabend auf ihren Höfen. Es gab bereits 48 Pendler. 9 Familien hatten ihr Land ganz verpachtet, dem entgegen standen 16 Vollerwerbsbetriebe.
Als selbständige Handwerker sind nur noch ein Maurermeister (Fritz), ein Schmiedemeister (Link) und ein Schuhmachermeister (Roos) tätig. Es gibt 2 Gasthäuser (Goldener Adler und Grüner Baum) und 2 Lebensmittelläden (Rhein und Scheuermann).
An größeren landwirtschaftlichen Geräten gab es: 26 Zugmaschinen, 6 Heubelüfter, einen Feldhäcksler, außerdem Sämaschinen, Drill-und Hackmaschinen, Kartoffelroder, Melkmaschinen, Schrotmühlen, Dreschmaschinen und einen Mähdrescher. Der Pferdebestand sank durch die Technisierung auf 9 Tiere.
Während zu Beginn der 50er Jahre erst ein Auto in Scheringen lief, sind es inzwischen 29. Rundfunk und Tageszeitung sind in fast jedem Haushalt. Auch sind 15 Fernsehgeräte im Dorf
Seit 1945 wurden 25 neue Häuser gebaut, 43 Familien haben sich in den letzten Jahren ein Bad eingerichtet. 10 Familien besitzen Waschmaschinen. Kühlschränke und Gefriertruhen sind fast in jedem Haushalt anzutreffen.
Die Großfamilie hat sich noch weitgehend erhalten.
Die Landwirtschaft heute und morgen
Produktion fernab vom Verbraucher, Milchquotenregelung, Umwelt, Flächenstillegung, Elektronic, Subventionen sind die Stichworte, welche die 6 Vollerwerbsbetriebe (Hermann Heß, Konrad Schöllig, Valentin Ballweg, Alois Gramlich, Karl Schüßler und Herrmann Schüßler) in Scheringen beschäftigen.
Eine Symbiose von Produktion in Einklang mit der Natur und Technik muß die Zukunft sein. Sicher ist es heutzutage nicht mehr möglich, die Kartoffelkäfer von Schulkindern sammeln zu lassen, wie noch 1950 in Scheringen geschehen, oder die Schädlingslarven an Obstbäumen abzulesen, der bedingungslose Einsatz von Spritzmitteln sollte jedoch weitgehendst zurückgedrängt werden.
Durch den Einsatz der Chemie wurde der Hektarertrag einerseits drastisch erhöht, während andererseits die subventionierte „moderne Brache“ (Flächenstillegung) zum Tragen kommt.
Der Landwirt der Zukunft wird ein Manager moderner Prägung sein, dessen Ertrag nicht allein von Fleiß und fachlicher Kompetenz abhängt, sondern auch vom Einsatz rechnergesteuerter Produktionsverfahren und von Subventionen und Ausgleichszahlungen fürs ,,Nichtproduzieren“.
Das bäuerliche Leben
Bestimmt wurde das bäuerliche Leben durch den jährlichen Rhythmus von Aussaat und Ernte.
Im Sommer begann der Arbeitstag meist noch vor Sonnenaufgang und endete erst spät in der Nacht. Allein der Winter diente der Regenerierung. Arbeitsmangel herrschte jedoch auch über Winter nicht, mußte doch gedroschen, gefüttert und Holz gemacht werden. Heute sprechen wir von der „guten alten Zeit“, doch wie ich bei meinem Recherchen feststellte, hatten die Leute meist nur das Nötigste, um ihre großen Familien durchzubringen. Und dennoch hatten sie Muße, sich abends vor ihren Häusern oder des Winters in den Spinnstuben und beim Körbeflechten zusammenzusetzen. Örtliche Sagen und das Liedgut wurden dadurch erhalten und an die Nachkommen weitergegeben. (Vorsetz)
Kleinbauern mußten Kühe zur Feldarbeit ,,gewöhnen“. August Noe jun., beim Pflügen am „Unteren Hohberg“.
Bei der Aussaat v. I. Konrad Barth, Josef Herkert und Rosa Barth.
Wilhelm Henn beim Pflügen am „Hohberg“.
Die Saatzeit
Im Frühjahr, wenn die Märzsonne die auf der „Scholle“ liegenden Äcker abgetrocknet hatte, begann die Saatzeit. Die Äcker wurden hergerichtet (geeggt). Früher mit der Holzegge, dann mit der schweren Eisenegge. Jeder Bauer hatte Ochsen oder Kühe „eingewöhnt“, mancher hatte auch Pferde.
Noch heute zeugt·der Ausspruch „der schuftet wie ein Ackergaul“ von der Schwere der Arbeit, die Mensch und Tier damals zu leisten hatten. Oft mußten die Bauern oder Knechte die Zugtiere den ganzen Tag am „Leetseel“ (Leitseil) führen und über die Äcker hinterher laufen.
Ein besonderes Geschick (Vortl) erforderte dann das Säen. Beim ersten Schritt mußte der Sämann in den über der Schulter hängenden Säsack greifen, eine Handvoll Saatgut herausnehmen und beim zweiten Schritt aussäen.
Saatbreite und -tiefe mußten möglichst konstant sein. Später, mit dem Einsatz von Traktoren (erste Traktoren in Scheringen bei Albert Ballweg und Karl Kraus 1951) und Sämaschinen in den 40er und 50er Jahren, konnte die Saatfläche genau abgegrenzt, eine höhere Effektivität erreicht und zudem Saatgut eingespart werden.
Heute ziehen schwere MB-Traks Sämaschine und Egge über die Felder. Kuhgespanne gehören längst der Vergangenheit an.
Das Kartoffelstecken
„Steckscht mi im April, kumm i wann i will. Steckscht mi im Mai, kumm i glei.“
Diese alte Bauernweisheit kann nur ganz pauschal gesehen werden. Wann die Kartoffeln in den Boden kamen, hing vor allem von der Dauer und Strenge des Winters und der Regenfälle im Frühjahr ab. Mit dem Pflug wurde eine Furche gezogen und die Kartoffeln von Hand eingelegt. Später wurden die Kartoffeln dann gehäufelt. Mit dem Einsatz von Kartoffelsteckmaschinen konnte dies später in einem Arbeitsgang erledigt werden.
Die Heuernte
Jetzt begann die härteste Zeit in der Landwirtschaft. Frühmorgens, schon vor Sonnenaufgang, ging es hinaus auf die Wiesen. Mit der Sense wurde das noch taunasse Gras gemäht. Nach dem Mähen wurde das Gras mit der „dreizinkede Gabbel“ auseinandergeworfen und 1-2mal täglich „gwennt“ (gewendet) . War das Heu trocken, wurde es zu ,,Mahden zusammengerechert“ (Reihen) und dann auf den Heuwagen geladen. 1-2 Personen haben ,,gegabbelt“ und eine Person hat auf dem Heuwagen „gesetzt“. Ein Arm voll rechts, einer links und einer in die Mitte. So wurde Lage um Lage („Leg um Leg“) aufgesetzt. War der Wagen beladen, wurde der „Wistbaum“ (ein langes Rundholz) obenauf gelegt. Eine Kette, die an der Wagenvorderseite links und rechts am Leiterbaum befestigt war, wurde verschränkt in eine Kerbe am „Wistbaum“ eingehängt. Am Wagenende wurde dann ein Seil über den Wistbaum gezogen und mit den „Wellöffeln“ auf das „Wellholz“ aufgewickelt. So konnte Druck auf die Ladung ausgeübt werden. Sodann ging es auf meist holprigen Wegen heimwärts und mancher Heuwagen ist wohl dabei „auseinandergebrochen“ und mußte, oft mitten auf der Straße, erneut beladen werden. In gleicher Weise verfuhr man wenige Wochen später mit dem zweiten Schnitt, dem Öhmd (Omed).
„Leg um Leg“ wurde der Heuwagen beladen. Erich Knapp (auf dem Leiterwagen), Hermann Knapp und Annemarie Knapp.
Heuernte v. l.: Karoline Frauenschuh (Oma), Anna Frauenschuh, Leo Frauenschuh mit Kindern Gerhard und Leo und zwei Enkelkindern aus der Schweiz
Die Getreideernte (Äärn)
Mit der Getreideernte im Juli/August begann auch die eigentliche Hochsaison in der Landwirtschaft. In der Reihenfolge wurde Roggen, Gerste, Weizen und zuletzt Hafer geschnitten. Zuerst mit der Sichel, dann mit dem Reff und der Flitsche. Manche Bauern mähten auch mit der Sense. Reff und Flitsche waren Sensen, an denen Bügel angebracht waren. Bei der Flitsche war der Bügel mit Tuch (Sackstoff) oder Fliegendraht bespannt; am Reff waren Holzzinken am Bügel angebracht. Meist wurde widergemäht, d. h.das geschnittene Getreide wurde an das noch stehende „angelehnt“. Dem Schnitter folgten Frauen, die das Getreide „wegnahmen“ und in Garben auf die ausgelegten Strohseile ( später Äarnstrickli) legten und zuschnürten. Die Garben wurden dann zusammengestellt (meist 10 Stück, 1 Garbe in der Mitte 2 x 4 verschränkt dagegen) und zum Schutz vor Regen 1 Garbe verkehrt als Hut darüber gestülpt. Wurde nicht widergemäht, blieb das Getreide auf Mahden liegen und wurde nach einem ersten Trocknen zu Garben gebunden. Dies geschah besonders bei Hafer, dieser wurde mit dem Reff“ ausgehoben“ (auf Mahden gemäht), Reff und Flitsche folgten dann als Halbautomaten, die Mähmaschine mit Handablage, dann die Getreidemäher mit automatischer Ablage. Schließlich der „Binner“ (Garben kamen gebunden aus der Maschine), bevor schließlich der erste Mähdrescher 1960 (Albert Ballweg) nach Scheringen kam. Ab 1957 hatte bereits Valentin Egenberger aus Waldhausen hier auf Lohn gedroschen. Das Getreide wurde in Säcke gefüllt und zuhause mußte es oft über mehrere Treppen in den Speicher getragen werden.
Emma Link beim Garben binden.
Alois Link 1953
v.l.: Lina Noe, Bernadette Noe und August Noe sen.
Alois Gramlich und Karl-Heinz Roos 1953.
Die Kartoffelernte
Eine der widrigsten und unbeliebtesten Arbeiten war die Kartoffelernte. Oft zog sie sich witterungsbedingt über mehrere Wochen hin. Mit dem „Hocke“ oder Karst (zweizinkige Hacke) wurde ein ganzer Kartoffelstock ausgehoben. Gleich auf dem Acker wurden die „Guten“ und die „Saukartoffeln“ (kleine und zerhackte) getrennt, in die „Zeene“ gelesen und in Säcke gefüllt. Abends wurden die Säcke heimgefahren und im Keller entleert. Später wurden die Kartoffeln dann „rausgezackert“. An unseren ersten Kartoffelroder kann ich mich noch gut erinnern (es muß wohl Mitte der 60er Jahre gewesen sein). Auch daran noch, daß meine Geschwister und ich immer Schelte bekamen, weil wir einfach keine Lust zum Sammeln hatten. Aber auch an die Brotzeiten kann ich mich genau erinnern. Die ganze Familie saß unter einem Baum und es gab Klumbe (Quark), selbstgebackenes Brot und Zwetschgenmus (Latwerge).
Vesperpause bei der Kartoffelernte 1942
v.l.: Ursula Frauenschuh, Anna Frauenschuh (Mutter), Klara Frauenschuh, Gerhard Frauenschuh
Jedenfalls wurde immer eine Reihe „geschlenkert“ und gesammelt. Heute besorgen Kartoffelvollernter diese mühsame Arbeit.
Nach der Ernte wurde das „Kartoffelkraili“ (Kartoffelkraut) verbrannt (Dung) oder bei schlechter Witterung abgefahren. Der Kartoffelacker wurde gepflügt, geeggt und meist mit Roggen oder Weizen eingesät
Parallel zur Kartoffelernte oder kurz danach wurden auch die Rüben geerntet. Auch stand mittlerweile die Obsternte an. Was von den Äpfeln und Birnen nicht eingekellert oder vermostet wurde, wurde verkauft. Auch in Scheringen ein willkommenes Zubrot bei den Bauern.
Familie Link bei der Kartoffelernte.
Das Dreschen
In der Winterzeit stand dann das Dreschen an. Eine Anzahl Garben wurde auf der Tenne ausgelegt und meist 4 oder 6 Personen schlugen in umlaufender Reihenfolge mit dem Dreschflegel die Körner aus den Ähren. Gleichmäßig mußte der Takt sein, das Dreschen erforderte daher äußerste Konzentration.
Zunächst wurden die gebundenen Garben durchgeklopft, dann gewendet und nochmals durchgeklopft. Alsdann öffnete man die Garben und der Vorgang wiederholte sich.
Nun wurde das lange Stroh ausgeschüttelt und weggeräumt, die Körner zusammengekehrt, gegen den Wind geworfen, das „Gsied“ (Spreu) war leichter als die Körner, so wurde die Frucht geputzt. Später übernahmen diese Arbeit Windmühlen, zunächst von Hand gedreht und nach der Elektrifizierung (1921 in Scheringen) mit Elektromotoren angetrieben. Mit dem Einzug der göppelgetriebenen Dreschmaschinen zu Beginn des20. Jahrhunderts und den ersten elektrisch angetriebenen Dreschmaschinen(1922 Heinrich Scheuermann und Karl Holzschuh) begann gleichsam eine neue Ära des Dreschens. Bis in die späten 50er Jahre die ersten Mähdrescher kamen, wurde nun so gedroschen.
Anfang 1950 kamen auch die ersten Häcksler (Ballweg, Eichhorn und Scheuermann) nach Scheringen. Nun konnten Heu und Stroh gehäckselt und durch Rohre in den „Heybarn“ (Heuboden) geblasen werden. Früher geschah dies mit Hilfe der Heuaufzüge, welche meist an den Außenwänden der Scheunen angebracht waren.
Das Holzmachen
Viele Bauern waren über Winter bei der Gemeinde als Holzhauer angestellt. So konnten sie über die ertraglose Winterzeit ein paar Mark hinzuverdienen und waren überdies renten-und krankenversichert
Sehr zum Verdruß der Bauern wurden die Holzhauerarbeiten in den Jahren 1933-39 an Arbeitslose vergeben. Zudem gehörte Scheringen um diese Zeit gemeinderechtlich zu Waldhausen.
Neben dem Holzhauen im Gemeindewald, wurde auch Holz in Privatwaldungen gehauen oder die Leute steigerten sich ein Holzlos (Parzelle zur Durchforstung). Ferner wurden über Winter Strohseile gedreht, Körbe geflochten, Strohschuhe hergestellt und inden Spinnstuben Wolle gesponnen und hauptsächlich zu Handschuhen und Strümpfen verarbeitet.
Früher wurden die Straßen mit dem „Bahnschlitten“ vom Schnee geräumt.
Oft war die Hohl im Winter zugeweht und mußte von „Einbachern“ und „Scheringern“ gemeinsam freigeschaufelt werden .
Vom Alltag der Bäuerin
Frühmorgens um 5 Uhr mußte sie aufstehen, Feuer machen, Frühstück bereiten, dann melken, füttern und die Kinder für den Schulgang fertig machen.
Backen, waschen, bügeln, flicken, stopfen, kochen und wieder abwaschen. Abends mußte sie wieder mithelfen, die Tiere versorgen, die Milch mußte ins ,,Milchhäusle“ gebracht werden …
Über Winter wurde noch gedroschen und geschlachtet. Bedenkt man, daß meist noch 5 oder mehr Kinder zur Welt gebracht wurden und dies zuhause, ohne Schwangerschaftsurlaub und Erziehungsjahr. Schon wenige Tage nach der Geburt mußten sie in der Landwirtschaft wieder ihren „Mann“ stehen. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe, die oft mit frühzeitigem Altern bezahlt werden mußte.
Anbaustatistik
1915 | 1921 | 1928 | 1934 | 1944 | 1954 | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Getreide | ha | Ar | ha | Ar | ha | Ar | ha | Ar | ha | Ar | ha | Ar |
Weizen | 2 | 2 | 13 | 19 | 50 | 25 | 10 | 50 | 4 | |||
Spelz | 17 | 10 | 6 | 1 | ||||||||
Roggen | 9 | 15 | 22 | 25 | 20 | 21 | 76 | |||||
Gerste | 4 | 5 | 5 | 38 | 20 | 20 | 8 | |||||
Hafer | 61 | 60 | 43 | 32 | 54 | 21 | 33 | |||||
Buchweizen | 50 | |||||||||||
Erbsen | 1 | 7 | 15 | |||||||||
Bohnen | 10 | 25 | 5 | |||||||||
Wicken | 3 | 50 | 1 | |||||||||
Mischfrucht | 25 | 40 | 27 | 16 | 14 | 18 | 9 | 37 | ||||
Kartoffeln | 25 | 13 | 23 | 31 | 34 | 50 | 45 | 17 | 32 | |||
Rüben | 6 | 8 | 11 | 12 | 30 | 13 | 90 | |||||
Klee | 9 | 10 | 18 | 20 | 23 | |||||||
Luzerne | 50 | 2 | 3 | 1 | 7 | 43 | ||||||
Mais | 1 | 30 | 2 | 4 | 11 | |||||||
Reps | 2 | 1 | 10 | 70 | ||||||||
Sonst. Futterpfl. | 3 | 50 | 5 | |||||||||
Flachs | 50 | |||||||||||
Hanf | 1 |
Erntestatistik 1914 – 1922
Winterweizen | Winterspelz (Dinkel, Emer) | Winterroggen | Sommergerste | Sommerhafer | Mengengetreide – Winterspelz u. -roggen, Spelz u. Weizen | Kartoffeln | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1914 | ge | mi | ge | gt | mi | mi | mi | Spätfröste in der Blüte des Korns |
1915 | zgt | zgt | ge | ge | ge | mi | gt | |
1916 | zgt | ge | mi | zgt | gt | gt | ge | Durch Spätfröste hat der Roggen Schaden erlitten |
1917 | zgt | mi | zgt | mi | ge | zgt | zgt | |
1918 | zgt | zgt | gt | mi | zgt | zgt | zgt | Hagelschlag |
1919 | gt | zgt | gt | mi | ge | gt | zgt | Mäuseplage |
1920 | gt | gt | zgt | mi | gt | gt | zgt | |
1921 | gt | gt | gt | zgt | zgt | gt | ge | |
1922 | ge | mi | zgt | gt | mi | zgt | gt | Weizenhalmkrankheit |
Rüben | Winterrebs | Klee (meist 3 Schnitte) | Luzerne (meist 2 Schnitte) | Wiesen (bewässert) 2 Schnitte | Wiesen (unbewässert) 2 Schnitte | Stroh vom Wintergetreide | Stroh vom Sommergetreide | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1914 | gt | gt | gt | gt | zgt | gt | gt | gt | Spätfröste in der Blüte des Korns |
1915 | ge | zgt | ge | ge | zgt | zgt | ge | ge | |
1916 | gt | gt | gt ge – | ge | gt | zgt | gt | gt | Durch Spätfröste hat der Roggen Schaden erlitten |
1917 | gt | zgt | gt ge | mi zgt | mi zgt | zgt | ge | ge | |
1918 | gt | ge | zgt ge – | ge | zgt ge | zgt ge | gt | gt | Hagelschlag |
1919 | zgt | gt | gt ge – | ge | gt zgt | zgt – | ge | ge | Mäuseplage |
1920 | gt | zgt | ge – gt | ge | zgt zgt | zgt ge | gt | zgt | |
1921 | ge | gt | gt ge – | ge | zgt ge | ge – | gt | ge | |
1922 | gt | ge | ge ge ge | zgt | zgt gt | zgt gt | ge | ge | Weizenhalmkrankheit |
Quellenangaben:
Rudolf Schmerbeck: Die Landwirtschaft im Odenwald in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Dr. P. Albert: Steinbach bei Mudau Generallandesarchiv Karlsruhe Nr. 236/6108 (Hauptakte Metzger) Persönliche Auskunft: Herr Wilhelm Schmitt, Frau Elsbeth Stepan geb. Schmitt (Großeicholzheim) Ortsbereisung 1892 GLA 345/2967 Ortsbereisung 1906 GLA 345/2969 Akten aus dem Gemeindearchiv Persönliche Auskünfte von Mitbürgern
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