Bernd Fischer (Einbach)
Siedlungs- und Flurformen auf der Gemarkung Scheringen
Gemarkungsgrenzen
Die Gemarkung Scheringen liegt im unteren Teil des Oederbachtales, im Mündungsbereich dieses Gewässers in die Elz. Die Gemarkungsgrenzen Scheringens verlaufen im Norden wie im Süden entlang den Wasserscheiden zu den Nachbartälern des Oederbaches. Im Norden ist dies das flache Tal des Einbächleins mit dem Dorf Einbach, im Süden der Guckenbach, in dessen Quellmulde Heidersbach liegt. Wie im Norden und Süden bildet auch im Westen eine Linie in der Natur auf weite Strecken die Grenze. Sie folgt dem Lauf der Elz, im Nordwesten gegen Laudenberg, im Südwesten gegen Limbach, so dass die Scheringer Gemarkung fast ausschließlich östlich der Elz liegt. Nur der Höhenrücken innerhalb der großen Elzschleife westlich der Elz gehört noch zur Scheringer Gemarkung. Die Scheringer Gemarkung ist also auf drei Seiten von natürlichen Grenzen bestimmt. Nur gegen Waldhausen, das am Oberlauf des Oederbaches liegt, der dort Landgraben heißt, ist die Grenze offen. Hier macht die Gemarkung den Eindruck, als ob sie mit der Nachbargemarkung verzahnt sei. Die Grenze scheint zwischen den Rodungsflächen zu verlaufen, die von den beiden Dörfern aus in dem Wald angelegt wurden, der damals noch zwischen den beiden Orten lag.
Schumacher1 hat versucht, einige Urmarken in der Umgebung Buchens zu rekonstruieren. Zwischen der Urmark Schefflenz, über die, im Gebiet des Altsiedellandes gelegen, man durch schriftliche Urkunden ausreichend unterrichtet ist, und der Buchener Urmark, auf der Buchheim (774) und Heinstetten (778) genannt sind, vermutet er eine Urgemarkung Scheringen-Bödigheim. Sie soll zwischen der Urmark Schefflenz im Süden und dem Einzugsbereich der Morre im Norden mit der Buchener Urmark gelegen haben und hatte die Elz als Grenze gegen den inneren Odenwald. Schumacher schreibt: „Bei der früheren Mark Scheringen-Bödigheim lässt sich wie z. B. auch bei der Mark Höpfingen-Hardheim beobachten, dass die alten -ingen-Orte mit kleineren, aber gut abgegrenzten Gemarkungen in die neue fränkische -heim-Mark einbezogen werden.“ Heidersbach entstand einst auf der Urmark Schefflenz. Die heutige Gemarkungsgrenze Scheringen/Heidersbach bildete also einst eine Grenze zwischen zwei Urmarken.
Altes Straßen- und Wegenetz
Verkehrsströme verlagern sich rasch entsprechend den wirtschaftlichen Entwicklungen. Auch die Ausbauqualität der Trassen beeinflusst die Verkehrsteilnehmer.
Scheringen lag 1820 an keiner übergeordneten Straße. Die alte Verbindung vom Neckar über Dallau, Limbach, Mudau und von dort über Amorbach an den Main, im 12. Jh. sicher von dominierender Bedeutung, hatte im 19. Jh. diese Rolle schon geraume Zeit verloren. Die neue badische Chaussee (Staatsstraße) führt seit 1806/09 von Heidelberg kommend über Mosbach, Oberschefflenz und Waldhausen nach Buchen, von dort weiter nach Walldürn und dann einerseits über Amorbach nach Miltenberg und andererseits über Hardheim nach Tauberbischofsheim. Ein anderer Ast der alten Verbindung Neckar-Main von Wimpfen nach Miltenberg, der von Schefflenz kommend über Waldhausen, Einbach, an Mudau vorbei über die Höhe nach Amorbach führte, nahm um diese Zeit von der Staatsstraße noch etwas Verkehr auf, durchquerte aber nur im äußersten Nordosten zwischen Tannengewann und großer Heumatte die Scheringer Gemarkung. Sonst führten von Scheringen aus nur Wege, die das Dorf mit seinen Nachbarorten verbanden. Limbach im Westen, Waldhausen im Osten, diese beiden Wege mögen damals darüberhinaus auch die Funktion einer Anbindung Limbachs und seines Hinterlandes an die Staatsstraße wahrgenommen und etwas überörtlichen Verkehr aufgenommen haben. Nach Süden ging der Gemeindeverbindungsweg in Richtung Heidersbach. Der Weg nach Einbach scheint einmal ein Glied in einer weiter gespannten Verbindung gewesen zu sein, die Wegbezeichnung „Limbacher Weg“ sowohl auf Buchener, als auch auf Einbacher Gemarkung weisen darauf hin. Die Straße nach Laudenberg wurde erst Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gebaut.
Die Fluraufteilung in Scheringen 1820
Ziel meiner Untersuchungen war es, die Flurform Scheringens bei seiner Gründung zu ermitteln.
Anstoß zu diesem Vorhaben war der Übersichtsplan der Gemarkung Scheringen aus dem Jahre 1879. Er ist auf Seite 81 wiedergegeben. Beim Studium dieses Planes fiel mir nördlich des Gemeindeverbindungsweges nach Einbach eine deutlich parallele Anordnung der Feldwege auf. Sie ließen mich vermuten, dass auf der Scheringer Gemarkung sog. Breitstreifen zu finden wären.
Breitstreifen in der Flur, das wusste ich aus den Arbeiten von Nitz2 und Matzat3 und aus meinen eigenen flurgeographischen Untersuchungen auf der Gemarkung Einbach, lassen auf eine planmäßig angelegte Flur schließen und erweckten in mir die Hoffnung, mit Hilfe der grundherrschaftlichen Güterverzeichnisse vielleicht die Dorf- und Flurform Scheringens bei seiner Gründung rekonstruieren zu können. Eine reizvolle Aufgabe!
Der Übersichtsplan der Gemarkung Scheringen beruht auf der ersten im Rahmen der badischen Katasteraufnahme angeordneten Vermessung der gesamten Gemarkung Scheringen. Ältere Flurkarten gibt es für die Gemarkung leider nicht. Die Vogtei Mudau meldete 1803 in der Erhebung „Zur Kenntnis des Landes“: „in unserer ganzen Vogteygegend ist fast garnichts gemessen, die Gränzen sind versteint aber nicht in Risse gelegt.“ Die erste Vermessung erfolgte auf Grund des bad. Gesetzes vom 26. März 1852 und wurde vom Großherzoglich Badischen Finanzministerium am 13. Juni 1871 angeordnet. Die Feststellung der Grundstücksgrenzen begann im Herbst 1872 und die Vermessung durch den Geometer Baumann wurde im Frühjahr 1875 beendet. Am 7. Juli 1879 war die Schlussverhandlung.
Die Vermessung ergab für Scheringen eine Gemarkungsgröße von 413 ha in über 1200 Eigentumsstücken, die sich 42 Scheringer Grundbesitzer und eine beträchtliche Anzahl von auswärtigen Eigentümern aus Limbach, Laudenberg, Einbach und Waldhausen teilten.
Das Ergebnis der Katasteraufnahme fasste man im sog. Gemarkungsatlas zusammen. In diesem Atlas sind pro Blatt immer nur eine Anzahl von Gewannen aufgenommen und als Inselkarten angelegt. Die Karten sind in der Regel im Maßstab 1:1000 angefertigt, die Ortslage mit ihren kleinen Grundstücken ist im Maßstab 1:500 dargestellt. Die Parzellen sind durchnummeriert. Die Nummern beziehen sich auf ein mit dem Atlas angelegtes Güterverzeichnis, das über die Besitzverhältnisse Auskunft gibt.
Zur Überprüfung meiner Vermutung ermöglichte mir das Staatliche Vermessungsamt Mosbach, dem ich für die wertvolle Unterstützung meiner Arbeit danke, mit den Karten dieses Atlasses einen Gemarkungsplan von Scheringen im Maßstab 1:1000 herzustellen, auf dem sämtliche Grundstücke eingezeichnet waren. Mit Hilfe des „Lagerbuch-Conzepts 1887″ aus dem Gemeindearchiv Limbach war es mir ein leichtes, die Eigentumsverhältnisse des Jahres 1887 in die Karte zu übertragen. Wie schon Nitz5 konnte ich eine sog. Blockgemengeflur, bzw. in einigen Gewannen eine sog. kreuzlaufende Kurzgewannflur erkennen.
Aus gleichartigen Untersuchungen auf der Nachbargemarkung Einbach wusste ich, dass während des 19.Jh. besonders in der Zeit der Agrarkrise6 um die Jahrhundertmitte, viele landwirtschaftliche Betriebe in Konkurs geraten waren, was die Bauern gezwungen hatte, ihre Liegenschaften im ganzen oder stückweise zu veräußern. Deshalb konnte der Besitzstand von 1887 keine klare Aussage zu meiner Frage zulassen, es waren noch keine Rückschlüsse auf ehemalige Breitstreifen und deren Besitzer möglich.
Mit den Grund- und Gewährbüchern der Gemeinde Scheringen aus dem Gemeindearchiv Limbach war mir ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem die Besitzverhältnisse um das Jahr 1820 zu rekonstruieren waren.
Im Jahre 1825 hatte die Gemeinde Scheringen den Band I der Gewährbücher angelegt, die später unter dem Namen Grundbücher bis 1899 sämtliche Kauf-, Tausch- und Übergabeverträge aufnahmen. Bei jeder Erwerbung wurde jedes Eigentumsstück mit Flächeninhalt, Nutzungsart und dem Namen der Besitzer der Nachbargrundstücke auf zwei Seiten genannt. Nach der Katasteraufnahme kam noch als neues wichtiges Kennzeichen die Lagerbuch- oder Grundstücksnummer hinzu. Außerdem ist oft angegeben, wann das Grundstück erworben wurde und auf welcher Seite im Grundbuch der Erwerb stattgefunden hatte.
Mit Hilfe dieser Angaben gelang es, die Besitzer jedes Grundstücks bis ins Jahr 1825 zu ermitteln. Bei fast 700 Grundstücksgeschäften während dieser Zeit dauerte diese Arbeit mehrere Wochen. Wenn wir die Eintragungen in den Gewährbüchern von 1887 ab zurückverfolgen, läuft vor unserem Auge gleichsam ein Film über die Schicksale der Scheringer Bauern-, Handwerker- und Taglöhnerfamilien rückwärts ab. Ich habe den wichtigsten Teil dieser Feststellungen in dem Kapitel „Zur Geschichte der Scheringer Familien, ihrer Häuser und Höfe in der Zeit zwischen 1820-1890“ dargestellt.
Bis zum 1. Januar 1823 zurück führte mich dann das „Kauf und Tausch Contracten Protokoll“ und der Band II des Pfandbuches aus dem Jahr 1818. Das Pfandbuch beinhaltet nur die Aufnahme von Hypotheken und nennt die Liegenschaften, die dabei zur Sicherheit der Kapitalien verpfändet wurden.
Die Karte S. 152 zeigt die Besitzverteilung der Scheringer Bauern im Jahre 1820 auf einem großen Gebiet der Gemarkung. Die Vermutung, auf der Scheringer Gemarkung Breitstreifen zu finden, hat sich bestätigt. Im Gemarkungsteil um Oberscheringen ist die Flur in mindestens fünf klar erkennbare Streifen von 150-200 m Breite und 700-1500 m Länge aufgeteilt. Sie ziehen weitgehend parallel über die Hochfläche nördlich des Oederbaches in nord-nordwestlicher Richtung bis zur Gemarkungsgrenze an der Wasserscheide gegen das Einbächlein, oder sie führen zur Wasserscheide gegen die Elz und grenzen an den Gemeindewald. Zwei dieser Breitstreifen haben Hofanschluß. Die Bereiche außerhalb der Breitstreifen sind für den Ackerbau nur bedingt nutzbar und sind dem Gemeindewald verblieben, oder sie sind wie im Osten an der Gemarkungsgrenze zu Waldhausen später meist zu Wiesen und Heumatten gerodete Blöcke.
Mit Ausnahme des östlichen Breitstreifens, den sich die Besitzer V. Kraus/ s’Hesse hälftig teilen, sind alle anderen in meist recht großflächige Blöcke mit verschiedenen Besitzkombinationen aufgeteilt. Es hat den Anschein, dass bei frühen Teilungen die Breitstreifen in diese Blöcke zertrennt wurden. Später, als nach dem 30jährigen Krieg Teilungsformen zur Anwendung kamen, die man aus dem landwirtschaftlich fortschrittlicheren Bauland übernahm, entstanden im Gebiet der Betriebe Gramlich-Gramlich/ Throm-Schellig sogar schmalstreifige Besitzstücke innerhalb der Blöcke.
Im Grenzbereich zu Einbach liegen auf den Endflächen von drei Breitstreifen Äcker des Einbacher Hofs der Ritter Rüdt von Bödigheim. Er wird 1306 erstmals genannt, kam um 1500 an Kurmainz und verfügte auch über Weiderechte auf der Scheringer Gemarkung.
Eine Sonderlage auf der Gemarkung nimmt der nördliche Abhang des sog. Berges ein. Dieses Gebiet, das westlich der Elz innerhalb der Elzschleife liegt, teilen sich in sehr unterschiedlichen Blöcken, vom Wechsel Wald/ Feld vorgezeichnet, die Betriebe s’Trome-Schellig/V. Kraus-s’Hesse. Wenn man die ungünstige Lage in Betracht zieht, kann es sich bei dieser Fläche nur um eine spätere Rodung auf der Allmende handeln.
Der Gemarkungsteil südlich des Oederbaches zeigt 1820 eine Flurform, die sich völlig von der auf der anderen Seite des Gewässers unterscheidet. Hier hat sich durch meine Besitzrückführung in das Jahr 1820 der Charakter der Block- und kreuzlaufenden Kurzgewannflur nicht verändert. Die in deutlicher Durchmischung liegenden Besitzflächen haben sich nicht zu größeren Einheiten oder erkennbaren Besitzkombinationen zusammengeschlossen. Ich musste wegen des kleinteiligen Musters auf eine zeichnerische Darstellung in der Karte verzichten. Nur die wichtigen Gewanngrenzen sind eingezeichnet, um den Charakter dieses Gemarkungsteiles wiederzugeben.
Die Wiesenflächen entlang der Elz nördlich der Einmündung des Oederbaches sind in großen Lagen in die bekannten Besitzkombinationen aufgeteilt und weisen so eindeutig auf ihre Zugehörigkeit zu der Breitstreifenflur im Oberscheringer Teil der Gemarkung hin. Südlich der Einmündung ist bei den Wiesen im Elztal ein Aufteilungsschema nicht zu erkennen. So gleicht dies dem übrigen Unterscheringer Gemarkungsteil. Besonders auffällig ist, dass der Grundbesitz der Bauerngüter in den beiden Ortsteilen feinsäuberlich getrennt liegt. Die Bauern im Oberen Dorf haben ihre Liegenschaften nur nördlich des Oederbaches und auf der Nordseite des sog. Berges liegen, während der Besitz der Unterscheringer nur südlich des Oederbaches und auf dem Südabhang des Berges liegt.
Ausnahmen sind nur die Stöckigwiesen, an denen zwei Bauern im Unterdorf einen kleinen Anteil haben. Außerdem ist der östliche Teil des Gewanns Hungerberg in einem geschlossenen Block im Besitz der gleichen Oberscheringer Bauern, die den Nordabhang des Berges unter sich teilen: s’ThrorneSchellig/V. Kraus-s’Hesse.
Die Flurformen bei der Gründung
Während des Hochmittelalters beginnt der Adel im Altsiedelland mit dem Aufbau geschlossener Herrschaftsgebiete. Ausgehend von seinen Besitzungen am Odenwaldrand legt er in den Wäldern auf der Ostabdachung des Buntsandsteinodenwaldes Rodungssiedlungen an.7
Die Kolonisten kommen natürlich aus den Dörfern des altbesiedelten Baulandes und verwenden bei der Aufteilung der Rodungsflächen die Muster, die zuhause erprobt waren. Im Rodungsgebiet entstehen deshalb Siedlungen und Fluren, die in ihrer Anlage an das Altsiedelland erinnern, wie z. B. in Waldhausen, auf den Röttonen jenseits der ersten Muschelkalkstufe, das sicherlich von Bödigheim aus angelegt wurde und in dem 1818 angelegten Lagerbuch eine Blockgemengeflur zeigt.
Im Übergangsraum zwischen dem Bauland und dem inneren Odenwald begegnet die Siedlungstätigkeit des Adels aus dem Altsiedelland dem Landausbau des Klosters in Amorbach. Es führt allein im Mudauer Forstbezirk die Landerschließung durch und ist im Begriff, vom inneren Odenwald aus seinen Einfluss im Übergangsraum zum Bauland durch den Erwerb grundherrschaftlicher Rechte auszudehnen. So vermehrt z. B. die Abtei ihren Besitz um 1050 in Limbach8.
Die Amorbacher Siedlungen werden in dieser Phase des klösterlichen Landausbaus planmäßig angelegt? Der einzelne Siedler erhielt ein flächenmäßig zusammenhängendes Besitzstück im Anschluss an seinen Hof, in der Form einer Waldhufe. Oder seine Betriebsfläche lag als Breitstreifen getrennt von den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.
So wie am Odenwaldrand die Grundherrschaftlichen Rechte des Adels mit denen des Klosters vermengt liegen, sind auch die typischen Siedlungs- und Flurformen beider Träger des Landausbaus hier in enger Nachbarschaft zu finden, d. h. wenig regelhafte und planmäßig angelegte Fluren liegen, von Gemarkung zu Gemarkung wechselnd, nebeneinander.
Die Aufteilung des Oberscheringer Gemarkungsteiles zeigt: Die Flur ist planmäßig angelegt. Der Grundherr ließ das in Frage kommende Gelände oft durch einen Fachmann für Siedlungsgründungen auf seine Tauglichkeit eingehend untersuchen. Dann wurden die Hofstellen zusammen mit den dazugehörenden Betriebsflächen sorgfältig abgesteckt und erst zuletzt die Kolonisten eingewiesen.
Im Kapitel Grundherrschaft habe ich dargelegt, dass mit Hilfe des Amorbacher Klosterurbars von 1395 eine rechnerische Rückführung der neun Amorbacher Lehen auf diesem Gemarkungsteil auf sechs Hufen möglich ist. Die Hufen sind mit Sicherheit in den Breitstreifen zu finden.
Die Flurform des Gemarkungsteils um Oberscheringen lässt auf eine Anlage der Siedlung mindestens unter dem Einfluss des Klosters Amorbach schließen.
Ähnlich klar ist die Entstehung der Flurform von Unterscheringen. Dort besteht zu Beginn des 19. Jh. eine ungeregelte Aufteilung der Flur in unterschiedliche Besitzblöcke bzw. in breitstreifige Gewanne. Matztat10 hat nachgewiesen, dass im altbesiedelten Bauland bis um 1500 n. Chr. die Blockgemengeflur die allgemein vorherrschende Flurform war.
Erst der enorme Bevölkerungsanstieg im 16. Jh. zwang die Menschen von dem Jahrhunderte lang geübten Brauch, die landwirtschaftlichen Betriebe nur einem Erben weiterzugeben (Anerbensitte) abzugehen und das elterliche Gut unter allen Kindern aufzuteilen (Realteilung). Dieser Wechsel in der Erbsitte führte dann innerhalb nur weniger Generationen zu einem Wandel in der Flurform. Hier entstand eine schmalstreifige Gewannflur.
Im Bauland war diese Veränderung in der Erbsitte durch die Intensivierung der Landwirtschaft möglich gewesen: Der Getreidebau war verstärkt und der Weinbau ausgeweitet worden und so hatte man eine namhafte Steigerung der Erträge erzielt. Die natürliche Gunst der Landschaft hatte dafür die Voraussetzungen geboten.
Auf der Scheringer Gemarkung fehlten diese Gunstfaktoren, unsere Buntsandsteinböden und das kühlfeuchte Mittelgebirgsklima erlaubten keine Änderung in der traditionellen Landbewirtschaftung. Unsere Odenwälder Bauern blieben bei der extensiven Viehhaltung als Schwerpunkt ihrer Landwirtschaft.
Ein ständiges Teilen der Betriebe hätte das Auskommen ihrer Besitzer gefährdet. Die Fluraufteilung veränderte sich deshalb bei uns nur unwesentlich, und die von Matzat schon für 1200 im Altsiedelland festgestellte Blockgemengeflur blieb auf der Unterscheringer Gemarkung bis in die Zeit meiner Untersuchung weitgehend erhalten, bzw. wandelte sich nur zu breitstreifigen Gewannen.
Wir gehen davon aus, dass Scheringen im Lorscher Codex 790 genannt ist, die Flur Unterscheringens, die heute noch Merkmale einer altbesiedelten Flur zeigt, kann diese Annahme bestätigen.
Die Siedlungsformen
Der älteste Siedlungskern liegt in Unterscheringen. In der Landnahmezeit (3.-5. Jh.) ließen sich nahe den Wiesengründen an der Elz und am Oederbach die ersten Menschen nieder, und es entstand eine kleine Siedlung aus wenigen Hofstellen. Ihr Anführer hieß Ansir und der Name seiner Sippe gab dem Weiler den Namen „Ansiringen“.
In dieser Siedlung besaß der Adlige Radolf Hufen, Wiesen, Wälder und Gewässer, die er im Jahre 790 dem Kloster Lorsch schenkte. Der Kurzwiedergabe der damals ausgeteilten Schenkungsurkunde verdankt das Dorf seine erste heute noch erhaltene schriftliche Nennung „Ansiringa“.
Während des hochmittelalterlichen Landausbaus (um 1000 n. Chr.) entstand auf der heutigen Gemarkung ein zweiter Siedlungskern. Durch Rodung der realtiv fruchtbaren Hochfläche über dem Elztal, die damals schon vielleicht der Benediktinerabtei Amorbach gehörte, wurde ein Dorf gegründet. Dies könnte im Zusammenhang mit dem Bau der Burg Limbach durch die Hohenstaufen geschehen sein. Oberhalb der Quelle in den Brunnenwiesen entsteht eine sehr locker angelegte Hofgruppe aus 5-6 Höfen. Zum Dorfsatz gehört die Mühle an der Elzbach, von der es noch im 19. Jahrhundert ausdrücklich heißt, sie gehöre zum Oberen Dorf11.
Wo der im Jahre 1251 genannte Ritter Markwart von Scheringen seinen Hof oder vielleicht sogar sein festes Haus hatte, kann bei der augenblicklichen Quellenlage nicht mit Sicherheit gesagt werden. Er oder es könnte im Untern Dorf gelegen haben.
Im Jahre 1395 weist das Amorbacher Klosterurbar für Oberscheringen neun landwirtschaftliche Betriebe und eine Mühle aus, während es von der Siedlung jenseits des Baches vom „Unteren Hof“ spricht. Die Siedlung im Tal scheint sich zu einem Hof zurückentwickelt zu haben.
Nach dem Mainzischen Güterverzeichnis von 1550 könnten von den zehn bäuerlichen Betrieben in Scheringen drei in Unterscheringen liegen.
1657, der 30jährigen Krieg liegt gerade acht Jahre zurück, wirtschaften schon wieder fünf Bauern auf den Gütern der Abtei in Scheringen. 1668 zählt die mainzische Verwaltung in Oberscheringen 8 Herdstätten mit 45 Einwohnern und in Unterscheringen 5 Herdstätten mit 33 Einwohnern. Trotz der Pestepidemie in den folgenden 70er Jahren nennt das Kloster um das Jahr 1680 in Oberscheringen 14 Landwirte auf seinen Lehen, die Bevölkerung wächst in diesen Jahren nach dem schrecklichen Krieg stark an und die Einwohnerzahl gewinnt in wenigen Jahrzehnten eine vorher nie erreichte Höhe.
Im Jahre 1820 zählt das Unterdorf mit seinen beiden Mühlen 13 Wohnhäuser, das Oberdorf mit der Oberen Mühle 16 Häuser. Neben den Bauernhöfen gibt es jetzt im Dorf auch einige Handwerkshäuser. Die Tatsache, dass mehrere Bauernhäuser und die dazugehörenden Betriebe unter zwei Familien geteilt sind, weist auf eine weitere stetige Bevölkerungszunahme hin, die diese Teilungen nötig machte. Darüber hinaus erfahren wir in den Gewährbucheintragungen am Rande immer wieder, dass es eine größere Zahl von Einwohnern im Dorf gibt, die über keine eigene Behausung verfügt sondern in Miete wohnt.
Die Untersuchung zeigt, dass das heutige Dorf Scheringen, in dem sich heute noch manche Einwohner als Unterscheringer oder Oberscheringer verstehen, aus zwei Siedlungen mit ursprünglich klar getrennten Gemarkungen entwickelte, nur durch die herrschaftliche Verwaltung als Einheit zusammengefasst wurde. Beide Siedlungen entstanden zu unterschiedlichen Zeiten und es haben sich in ihren Fluren Merkmale erhalten, die Auskunft geben über die Zeit ihrer Entstehung.