Scheringen

Sagen, Geschichten und wahre Begebenheiten

 Edwin Henn 

Die fromme Müllerin 

Eine fromme Müllerin aus Scheringen machte täglich den beschwerlichen Weg nach Limbach zur hl. Messe. Eines Morgens fand sie zu ihrer Überraschung glühende Kohlen auf ihrem Wege. Sie stieß einige davon mit ihrem Fuße an. So viele sie nun angestoßen hatte, so viele halbe Guldenstücke fand sie auf dem Heimweg just an dieser Stelle. 

Der Frevler 

Früher, in langen Winternächten, war in den Spinnstuben der Bauern einiges zu erleben. Ein besonderer Reiz also, besonders für junge Burschen, sich dort einzufinden. Es wird erzählt, ein junger Bursche aus Limbach wollte am Blasiustag nach Scheringen in die Spinnstube gehen. Obwohl ihn seine Eltern eindringlich warnten, machte er sich auf den Weg und spottete dem hl. St. Blasius. 

Auf Scheringer Gemarkung soll ihm dann der Teufel das Genick gebrochen haben. 

Der Schatz bei Scheringen 

Auf dem Hungerberg über Unterscheringen liegt ein Schatz vergraben. In manchen Nächten lief dort ein goldenes Kalb umher, und wo es verschwand, dort musste man nach dem Schatz graben. Die Grabenden dürfen aber bei ihrer Arbeit kein Wort sprechen. Einmal wäre Schatzgräbern die Hebung der Schatztruhe fast geglückt. Schon hoben sie die schwere Last bis zum Rand der Grube, als einer stöhnte: „Wie war das schwer!“ Sofort verschwand alles in der Tiefe auf Nimmerwiedersehen. 

Vom „Elfetritsche“ fange 

Früher saß einmal ein Ingenieur beim „Adler“-Wirt und erzählte, wie weit er schon herumgekommen sei, was für Geschäfte er gemacht und was er schon alles erlebt habe. Furchtbar schnitt er auf. 

Ein junger Bauernbursche warf ein, er wüsste wie er ein paar schnelle Mark dazuverdienen könne. Durch das „Elfetritsche“-Fangen nämlich. Diese hätten gerade um diese Zeit ein herrliches Fell, das sich teuer verkaufen ließe. 

So stellten sie ihn, mit einem Sack in der Hand, an den „Seelreh“ und versprachen ihm die ,Elfetritsche“ zuzutreiben. 

Wie lange er dort stand, ist nicht bekannt, doch hatte er an diesem Abend bestimmt etwas dazugelernt. 

An die Geißen von Scheringen 

Da die Ziegenhaltung in Scheringen nie eine bedeutende Rolle spielte, war oft kein Ziegenbock im Dorf und die Geißen wurden zum Decken in die Nachbargemeinden geführt.

Die Ziegenbockhalter stellten nach dem Decken eine Sprunggebühr in Rechnung. 

Zum Schmunzeln eine solche Rechnung des Ziegenbockhalters W. D. aus Einbach. Er schrieb folgende Rechnung: 

Rechnung von meinem Ziegenbock an die Geißen von Scheringen 

Darunter listete er die entsprechenden Sprunggebühren auf. Wie mir glaubhaft versichert wurde, soll die Rechnung tatsächlich die Empfänger erreicht haben. 


HÖLZERLIPS UND SEINE BANDE

Wir schreiben die Jahre um 1800. In dieser Zeit der Kriegswirren herrschen allenthalben Not und Armut unter der Bevölkerung. Immer mehr Vaganten (fahrendes Volk) ziehen durchs Land. Hauptsächlich sind es Kesselflicker, Korbflechter, Scherenschleifer und Gaukler mit Familien. Seit jeher verfolgt und nirgends lange geduldet, bleibt ihnen keine Wahl, als ihr Leben und das ihrer Familien durch mehr oder minder schwere Räubereien zu fristen. Auch in unserem Raum halten sie sich teilweise auf. 

Besonders auf dem Winterhauch in Waldkatzenbach und Mülben gibt es die Bauern, die cochem (ihnen freundlich gesinnt) sind. Hier treffen sie sich, werden einige Tage beherbergt und sind zudem durch die Nähe der Grenze relativ sicher vor dem Zugriff der Obrigkeit. Auch unternehmen sie von hier aus ihre Raubzüge. 

Auf einem dieser Raubzüge tangieren sie im April 1804 auch Scheringen. Es wird berichtet, dass sie hier von einem Schweinehirten, der mit einer Flinte bewaffnet war, aufgespürt und zum Amt nach Mosbach gebracht wurden. Dort kassierte dieser die Belohnung. Bald darauf wurden sie jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Peter Eichler, ein besonders rabiater Bursche, trifft einige Tage später den Odenwälder Hannadam und sie beschließen, sich an dem Hirten zu rächen. 

Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen sie dessen Hütte. Während der Hannadam Schildwache bezieht, steigt Eichler über das Dach ein. 

„Ich habe den Spitzbuben aus dem Bett gezogen. Er hat sich kräftig gewehrt. Dabei ist es ihm gelungen, die Flinte von der Wand zu reißen. Er hat auch anlegen wollen, aber ich hab ihm die Waffe aus der Hand geschlagen. Aber ich konnt den Hirten nicht überwinden. Dann ist der Hannadam reingekommen und hat ihm mit dem Flintenkolben einen kräftigen Schlag auf die Brust versetzt. Von da an war der Mann ganz friedlich. Wir haben überall nach Geld gesucht, aber es war nichts da. Bei all dem Lärm haben wir nicht bemerkt, wir der Bub des Hirten durchs Fenster gesprungen ist, der ist sofort zum Dorf gelaufen. Und bald hörten wir auch die Bauern. Sie hatten Flinten dabei und haben wie wild in die Luft gefeuert. Wir haben dann schnell von dem Hirten abgelassen und sind geflohen“, sagt Eichler bei einem späteren Verhör aus. 

Just in dieser Zeit regiert in Heidelberg der Stadtdirektor Pfisterer. Er will sich auf Kosten der Vaganten profilieren. Dazu braucht er allerdings einen Odenwälder Räuberhauptmann, der dem legendären Schinderhannes nicht nachstehen soll. Er zwängt also den Hölzerlips in diese Rolle. Überall werden Vaganten verhaftet, nach Heidelberg geschafft, verhört, wenn nötig auch gefoltert. 

Pfister spielt diese gegeneinander aus, stellt ihnen Straffreiheit in Aussicht und gewinnt so alsbald einen Überblick über deren Unternehmungen. 

Am 28. Juli 1812 werden in Heidelberg die Urteile gegen Hölzerlips und fünf seiner vermeintlichen Kumpane verkündet. Es soll ein Exempel statuiert werden. 

Alle sechs werden zum Tode durch das Schwert verurteilt. Während die beiden Jüngsten begnadigt werden, wird das Urteil gegen die anderen Delinquenten am 31. Juli vor dem Mannheimer Tor in Heidelberg vollstreckt. 

Das Baumännle 

Oh Baumanns Mühl, oh Baumanns Mühl bist doch gar ein schlimmes Tier hast verschlungen schon drei oder gar vier den fünften hast im Rachen dem wirst’s nicht besser machen. 

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten in der Baumannsmühle, auf halbem Weg zwischen Unterscheringen und der Limbacher Mühle gelegen, die Besitzerin der Mühle, Rosalia Fischer, ihr Lebensgefährte Baumann, die Magd Gretle und ein Knecht. 

Durch die abgeschiedene Lage und auch durch ihre Bewohner umgab diese Mühle ein besonderes Flair. 

Unterstrichen wurde dies durch das Baumännle, ein besonders lichtscheuer Geselle, der meist nur nachts unterwegs war und sich durch Wildern und andere Räubereien über Wasser hielt. So brach er in Feldscheunen ein, entwendete Steinhauern und Bauern ihr Handwerkszeug und brachte noch einen Teil der eh schon kargen Ernte ein. Das Fischerle versorgte ihn, wimmelte die Gendarmen ab und hielt die Leute fern. 

Wollte z. B. ein Jäger in der Nähe ansitzen, machte sie solange Krach bis dieser unverrichteter Dinge heimzog. 

Den meisten Besuch dürften die Mühlenbewohner wohl von den Gendarmen aus Waldhausen gehabt haben. Regelmäßig mussten sie zu Fuß oder per Fahrrad den Weg nach Scheringen antreten. 

Das Baumännle aber war ein gerissener Bursche, dem meist nichts nachzuweisen, oder der erst gar nicht anzutreffen war. 

Eines Tages machte sich die Magd Gretle auf den Weg nach Mudau, um Schuhe zu kaufen. Unterwegs wurde sie erschlagen und ausgeraubt. Einhellig war man der Meinung, dass dies das Werk Baumanns war. Als die Gendarmen zur Mühle kamen, um ihn abzuholen, versteckte sich Baumann in der Truhe, aufder das Fischerle saß. Später deckte sie ihn und so konnte ihm auch diese Tat nicht nachgewiesen werden. Als Baumann verstorben war, fand man jede Menge Diebesgut in der Mühle. Das Fischerle verzog unbekannt. 

Rineck und die Rinecker 

Ein junger Pfarrer aus Lohrbach, der Fahrensleuten ab und zu für ein paar Tage Arbeit und Brot gab und dadurch viel über ihre Notlage erfuhr, gilt als Gründer des Dorfes Rineck um 1780. 

Er hatte die fixe Idee, die dreizehn verödeten Güter des Rühlingshofes, auf dem nur ein paar kümmerliche Bauern wohnten und dessen Fläche den umliegenden Orten als Weide diente, urbar zu machen und mit Fahrenden zu besiedeln. 

Durch geschickte Argumentation gegenüber der Obrigkeit bekam er prompt die Genehmigung. Schon im folgenden Frühjahr trafen die ersten Vaganten ein, 10 Familien und 3 ledige Männer, zusammen 78 Köpfe. Kesselflicker, Fiedelspieler, Seiltänzer, Quacksalber, Maulwurffänger, Preisringer und 3 ehemalige Bauernfamilien. Auch ein Schausteller mit einem Bären gesellte sich zu dem bunten Haufen. 

200 Morgen Land trat der Staat gegen eine jährliche Haferlieferung an die Siedler ab, weitere 200 Morgen Wald wurden ausgestockt und urbar gemacht. Somit besaß das neu gegründete Dorf keinen Wald, was später fatale Folgen haben sollte. 

Der Staat forderte von sämtlichen Gemeinden der Umgebung, denen ja die Sesshaftmachung der Fahrenden vor allem zugute kam, eine Abgabe, damit für das neue Dorf Baumaterial und Saatgetreide sowie Vieh angeschafft werden konnte. Die Nahrungsmittel für die erste, ertraglose Zeit lieferte der Staat. 

Die ersten Jahre funktionierte alles reibungslos, die Einwohnerzahl stieg stetig und die Erträge waren einigermaßen gut. Jeder hatte zu essen und das Brennholz wurde von den Nachbargemeinden gekauft. 

Doch schon bald änderte sich das Bild. Die Gaukler und Schausteller tanzten, tranken und feierten, während die Bauersfamilien ihr Land pachteten und die Pacht in Naturalien zahlten. In den folgenden Kriegs- und Hungerjahren, auch Rineck musste durchziehende Truppen mitversorgen, fehlte es am Nötigsten. 

Diejenigen, die ihre Felder nicht mehr bestellten litten Hunger, ihre Kinder starben und sie hatten nicht einmal das Holz für die kleinen Särge. Mit dem vom Staat gestellten Saatgut assen sie sich einige Monate satt, steckten zur Schau Steine statt Kartoffeln in die Erde, während die Bauersfamilien sparten und ihr Saatgut auslegten. Von nun an gingen sie auf Diebeszug. Zuerst ernteten sie auf den Feldern Rinecks, dann auch in den umliegenden Dörfern. In Horden zwischen 30 und 40 Mann traten sie auf und weder die Feld- und Waldhüter, noch die Gendarmen konnten etwas dagegen unternehmen. Auch in Scheringen stahlen sie Schweine, erpreßten die Müller um Mehl, schlugen Brennholz oder nahmen einfach die an der „Wäschbach“ zum Trocknen und Bleichen ausgelegten Wäschestücke mit. Mitte des letzten Jahrhunderts wurden dann fast alle 500 Einwohner Rinecks auf Staatskosten nach Amerika deportiert. 


Quelle:
Ina von Drygalski 
Rineck – Traum und Fluch der Landfahrer 

Streiche der Rinecker 

Emil Scheuermann 

In den vergangenen Jahrhunderten wurde auf der hiesigen Gemarkung außer den allgemein bekannten Getreidearten auch noch Lein angebaut. Aufeigenen Webstühlen, die damals noch in zahlreichen Häusern standen, wurden daraus Leintücher hergestellt. Diese waren ca. 1,20 m breit und etwa 20 m lang. Aus ihnen stellte man später Bettlaken, Tischtücher, Hemden, Blusen und Schürzen für den eigenen Gebrauch, für den Verkauf und für die Aussteuer der Töchter her. Zuvor jedoch mussten die Tücher mehrere Wochen lang gebleicht werden. Zu diesem Zwecke wurden die langen Tuchbahnen an schönen Tagen auf den Wiesen neben der „Wäschbaach“, unterhalb der neuen Elzbrücke so ausgebreitet, dass sie mit der Stirnseite fast bis zum Elzbach reichten. Mehrmals am Tag wurde das Tuch mit dem dan-mals noch sauberen Elzwasser gegossen, bis es die nötige Frische und Bleiche hatte. Das Gießen besorgten in der Regel die älteren Kinder. 

Als diese nun eines Tages wieder an die „Wäschbaach“ eilten, um zu gießen, waren alle Tücher verschwunden. Schreiend eilten die Kinder nach Hause und berichteten ihren Eltern von dem Verschwinden der Leintücher. 

Das Wehgeschrei in den Häusern und auf der Straße muss groß gewesen sein, wenn man sich vorstellt, dass dies doch den Verlust einer ganzen Leinernte nebst der Arbeit eines langen, mühseligen Arbeitswinters bedeutete.

Der zuständige Gendarm wurde gerufen. Er stellte fest, dass sich Diebe jenseits des Baches im Schutze von Hecken und Wald herangeschlichen hatten. Einige hatten den Bach überquert und mitgebrachte Stricke an den Tüchern befestigt. Andere zogen sofort die Tücher über den Bach und rollten sie zusammen. In kürzester Zeit war die ganze Wiese leergeräumt. Ebenso schnell und lautlos wie die Räuber gekommen waren, waren sie auch wieder verschwunden. 

Der Tat wurden die Rinecker bezichtigt, die zu jener Zeit bereits so verarmt waren, dass sie sich nur noch durch Betteln, Hausieren und Diebereien am Leben erhalten konnten. 

Das Diebesgut wurde an ständig zwischen den damaligen Marktorten hin- und herziehende Händler veräußert, die die Tücher verarbeiten ließen und dann als Fertigwaren auf den Märkten absetzten. 

Das gestohlene Schwein 

Im Oberdorf stand früher ein typisches Odenwälder Bauernhaus, dessen Dachrinne man aufder Nordseite mit der ausgestreckten Hand berühren konnte. Ganz dicht neben dem Haus stand ein uralter Apfelbaum, dessen Äste sich fast auf das Dach legten. 

Es war Herbstzeit und die Bewohner hielten sich nach Einbruch der Dunkelheit in der Küche auf. Auf einmal hörten sie von den nahen Schweineställen her ein Geräusch. Offensichtlich waren aber keine beherzten Männer im Haus, die nach dem Rechten sehen konnten. 

So verhielten sich alle ganz ruhig. Nach einer Weile ertönte durch den niedrigen Backofenkamin herunter ein gellender Schrei. Alle waren entsetzt und verriegelten Fenster und Türen. 

Als die Bauersfrau am nächsten Morgen die Schweine füttern wollte, entdeckte sie eine große Blutlache. Was war geschehen? 

Offenbar mehrere Diebe hatten das Schwein im Stall abgestochen und auf einem Ziehwagen abtransportiert. Einer der Diebe war zuletzt noch auf den Baum geklettert und hatte sich mit einem Schrei verabschiedet. 

Für die Einwohner und die Polizei stand fest, dass sich die Rinecker wieder einmal ihren Tribut geholt hatten. 

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